Einige der schlechtesten Gemälde überhaupt

Es sollten Billy-Childish-Festspiele werden. Dann kam der Terroralarm. Aber: Seine Kunst ist da, und das Konzert holt die Underground-Ikone nach

Conny Lösch, die Betreiberin der Kreuzberger Gallerie The Aquarium ist in heller Aufregung. Es ist Donnerstagnachmittag und in London geht gar nichts mehr. Terroralarm. Langsam wird klar, dass Billy Childish keinen Flug mehr nach Berlin bekommen wird.

Dabei hätte es sein Wochenende werden sollen, die Berliner Billy-Childish-Festspiele: Am Donnerstag Konzert im Festsaal Kreuzberg, am Freitag Vernissage seiner Ausstellung im Aquarium – inklusive ihm selbst als Ehrengast –, am Sonntag intime Solo-Performance im West Germany. Fiel nun alles ins Wasser, danke nochmal an die Londoner Dschihadisten, die uns das eingebrockt haben.

Traurige Szenen sollen sich vor dem Festsaal abgespielt haben. Von überall her waren Childish-Fans angereist, um eine echte Underground-Ikone live zu erleben. Ein paar Bilder des Meisters am nächsten Tag in einer Galerie besichtigen zu können, war für die meisten nur ein schwacher Trost. Natürlich gehört auch die Kunst zum Phänomen Billy Childish, doch ohne Rock’n’Roll sind Childishs Gemälde nur halb so viel wert.

Denn auch wenn Childish sich inzwischen als verschrobener Maler einen gewissen Namen gemacht hat, umweht ihn vor allem als sich ewig selbst treu bleibendem Garagenrocker eine Aura des Kultischen. Alles, von dem Rock immer träumt – Authentizität, Ehrlichkeit, Unverkäuflichkeit –, gehört zu Childish so wie der immer raue und ungehobelte Sound zu seinen Platten. Seit 1977 macht er Musik, mit den unterschiedlichsten Bands hat er inzwischen über 100 Platten eingespielt. Er wurde von Kurt Cobain verehrt, angeblich schätzt ihn sogar Kylie Minogue. Seine Musik klingt eigentlich immer gleich – nach einer Mischung aus Punk, Pubrock, Rhythm & Blues. Synthesizer und ähnlicher Blödsinn kommen Billy Childish nicht ins Aufnahmestudio.

So kam er durch die Achtziger und dann durch die Neunziger. Nebenbei schrieb er Poetry, ein paar Bücher, seine Autobiografie. Dass er irgendwann auch malte, bekamen die meisten seiner Fans vor allem dadurch mit, dass er mit seinen Gemälden und Holzschnitten gern seine Plattencover schmückte. Doch ab Mitte der Neunziger redeten plötzlich alle von der jungen britischen Kunst, von Damien Hirst und in Stücke geschnittenen Haifischen. Und von Tracey Emin, deren Installation „Everyone I Have Ever Slept With 1963–1995“ für den Turner-Prize nominiert wurde. Auf und in einer Art Zelt listete sie ihre Bettpartner – und einer der Namen war der von Billy Childish. Der Garagenrocker und die Kunstskandalnudel, was für eine Geschichte. Was dann folgte, war eine seltsame Form von Dialektik: Childish wurde plötzlich genau von der Kunstszene ernst genommen, gegen die er sich richtete.

Um mit dem Label „Young British Art“ nichts zu tun zu haben, gründete er 1999 die Künstlergruppe der Stuckisten, die sich explizit gegen abstrakte Kunst wandte und für figürliche Darstellungen wie das klassische Tafelbild eintrat. Auch wenn Childish zwei Jahre später die Stuckisten wieder verließ, blieb er seiner Idee bis heute treu. Auch die im Aquarium ausgestellte Bilderserie „The Messerschmitt Pilot’s Severed Hand“ ist zu hundert Prozent stuckistisch. In dem an Vincent van Gogh und Edvard Munch geschulten Zyklus werden die Abenteuer der abgetrennten Hand eines deutschen Wehrmachtfliegers erzählt, die ein seltsames Eigenleben führt.

Ob das nun gute oder schlechte Kunst ist, ist nicht die Frage. Ein ausliegender Katalog wird mit einem Zitat der East Anglian Times beworben, die in einer Billy-Childish-Ausstellung „einige der schlechtesten Gemälde überhaupt“ gesehen haben will. Billy Childish, so lässt sich annehmen, fühlt sich durch schlechte Kritiken eher bestätigt. Um aber wirklich verstehen zu können, was die Kunst Childishs ausmacht, muss man den Mann auf der Bühne sehen. Zum Glück wird am 26. August das ausgefallene Konzert im Festsaal Kreuzberg nachgeholt. ANDREAS HARTMANN

Bis 30. 9., Do.–So. 12–20 Uhr, The Aquarium, Falckensteinstr. 35