SPD mustert die Grünen aus

Untauglich zum Regieren, urteilt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Gaebler über die Grünen. Sie seien unzuverlässig und arbeiteten mit Tricks. Im Parlament ist die Ökopartei als Störenfried verschrien

VON ULRICH SCHULTE

Die Grünen kokettieren im Wahlkampf gerne damit, dass sie in einer Regierung mit der SPD viel unbequemer seien als die Linkspartei. Der Hang zum Rebellentum könnte sie nach der Wahl am 17. September die Regierungsbeteiligung kosten – selbst wenn sie rechnerisch möglich wäre.

Denn manch führender Sozialdemokrat hat Zweifel am Modell Rot-Grün: „So wie die Grünen-Fraktion sich im Abgeordnetenhaus benimmt, ist sie nicht regierungsfähig“, sagte Christian Gaebler, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, gestern der taz. Mit den Grünen sei es – anders als mit Linkspartei, CDU oder FDP – nicht möglich, Gesetzesvorhaben vertraulich anzuschieben. „Ihre Abgeordneten verletzen immer wieder Absprachen, um sich öffentlich zu profilieren.“

Gaeblers Einlassung ist eine Drohung, die es in sich hat. Die Ökopartei liegt mit der Linkspartei in den Umfragen fast gleichauf. Und sie konkurriert mit den Sozialisten um die Plätze an Klaus Wowereits Seite in einer neuen Regierung. Auch gegen die Dreierkonstellation Rot-Rot-Grün gibt es – von interessierter Seite – Vorbehalte: „Die Grünen bereiten mögliche Partner darauf vor, dass Populismus zur Geschäftsgrundlage gehört“, sagt Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer.

Gaebler und Lederer, die Vertreter der Koalitionsfraktionen, sind nicht allein mit ihrer Kritik: In der Geschäftsführerrunde des Parlaments, in der alle Parteien Abläufe absprechen, sind die Grünen nach fast fünf Jahren Oppositionsarbeit als unzuverlässig verschrien – wobei die Kritik bei den anderen wesentlich moderater ausfällt. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Uwe Goetze, hält die Grünen „in einigen Fragen für nicht verabredungsfähig“, FDP-Geschäftsführer Steffen Saebisch nennt „einen Restprozentsatz“ der Ökofraktion „unberechenbar“.

Der Unmut hat sich durch mehrere Aktionen angestaut, die den internen Verhaltenskodex der Parlamentarier verletzen. Übel haben alle den Grünen ihr Vorgehen beim Gesetz für stärkere Volksbegehren genommen. Während die Geschäftsführer – wegen großer Bedenken bei CDU und SPD – ein vorsichtiges Herantasten an einen Kompromiss hinter den Kulissen vereinbart hatten, brachten die Grünen im November 2005 einen fertig formulierten Antrag ins Parlament ein. „Mit so einer Taktik torpediert man leicht eine Einigung. Schließlich müssen alle anderen plötzlich über ein öffentlich vorgehaltenes Stöckchen springen“, sagt FDPler Saebisch.

Auch eine Regelung, die es den Abgeordneten ermöglicht, seit November 2005 für eine Hilfskraft 410 Euro im Monat auszugeben, begleiteten die Grünen mit öffentlichkeitswirksamer Kritik – für die anderen Parteien zu öffentlichkeitswirksam. „Das ist der grüne Klassiker: erst mitverhandeln, dann öffentlich mit Kritik vorpreschen und sich als Gutmenschen darstellen“, sagt Goetze. Und in Geschäftsordnungsfragen erweisen sich die Grünen, sonst gar nicht bürokratisch, nach Aussagen aller Geschäftsführer als ungewöhnlich kreativ. So werde schon mal kurzfristig eine namentliche Abstimmung im Plenum beantragt, um Wackelkandidaten anderer Fraktionen zu outen, erzählt Saebisch. „Natürlich ist das rechtens – aber fünf Minuten vorher macht man so was nicht.“

Dass ihr parlamentarischer Stil öffentlich diskutiert wird, kommt den Grünen jetzt, kurz vor Beginn der heißen Wahlkampfphase, denkbar ungelegen. Fraktionschef Volker Ratzmann entgegnet: „Die anderen versuchen, einen unausgesprochenen Konsens zu formulieren. Wir fühlen uns eher der Transparenz verpflichtet.“ Ohne den Grünen-Antrag wäre die Einigung bei den Volksbegehren in dieser Legislaturperiode nicht mehr zustande gekommen, so Ratzmann. Und bei der Diskussion über die Mini-Jobs habe man von Anfang an „große Bedenken“ angemeldet. „Die eingeschliffene Praxis wird hier ab und zu höher bewertet als der Wortlaut der Geschäftsordnung.“

Ein Trost für die Grünen: Andere glauben an eine Drohgebärde der SPD. CDU-Mann Goetze: „Nicht regierungstauglich? Das hat Gaebler doch schon am Tag nach der Wahl vergessen.“