Märchenstunde mit Onkel Klaus

Klaus Wowereit verspricht die Umsonst-Kita für alle – doch keiner glaubt ihm. Sein Finanzsenator hält das für unfinanzierbar, der Koalitionspartner spottet und die Kitas möchten lieber mehr Personal

VON NINA APIN

Klaus Wowereit hat im Wahlkampf den Bogen überspannt. Der spontane Vorstoß des Regierenden Bürgermeisters (SPD), den Besuch öffentlicher Kindertagesstätten völlig umsonst anzubieten, stößt selbst in seiner Partei und beim Koalitionspartner PDS auf Verwunderung, Skepsis und Hohn. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hält den Vorschlag für unrealistisch, Linksparteichef Klaus Lederer verbannt die Initiative in den Bereich der Wahlkampfmärchen.

Am Montag hatte Wowereit für den Fall seiner Wiederwahl bei den Abgeordnetenhauswahlen am 17. September angekündigt, den Besuch öffentlicher Kindertagesstätten für drei- bis fünfjährige Kinder kostenlos zu machen. Zuvor hatte die rot-rote Koalition bereits Gebührenfreiheit für das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung ab dem kommenden Januar beschlossen.

Schon diese Neuerung kostet den Senat zwölf Millionen Euro. Wie man zwei weitere kostenlose Kita-Jahre bezahlen kann, darüber scheint sich Wowereit keine Gedanken gemacht zu haben. Mindestens 48 Millionen Euro seien dafür notwendig, hat Finanzsenator Sarrazin flugs errechnet. Zu viel. Für Sarrazin ist Wowereits Vorschlag schlicht unfinanzierbar. „Das Geld müssten wir an anderer Stelle einsparen“, sagte er gestern. Der Senator stellte klar, dass es für Einsparungen an anderer Stelle „keine Pläne“ gebe.

Ohne finanzielle Deckung bleibt Wowereits Versprechen eine Wahlkampfseifenblase. Auch sein Koalitionspartner nimmt ihn nicht ernst. „Es ist schön, dass Herr Wowereit sich endlich auf die Position der PDS zubewegt“, sagte Klaus Lederer der taz. „Seine Forderung nehme ich mit Wahlkampf-Humor, sehe momentan aber keinen finanzpolitischen Spielraum dafür“, so der Berliner Linksparteichef. Die Opposition stimmt fröhlich in die Kritik ein. Es sei verwunderlich, dass Wowereit, dessen Partei die Kita-Gebühren massiv erhöht hatte, ausgerechnet jetzt mit diesem Vorschlag komme, sagte CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger. FDP-Fraktionssprecherin Mieke Senftleben kritisierte Wowereits Versprechen als „plump und unseriös“, da ihm offenbar „schleierhaft“ sei, wie das Vorhaben finanziert werden solle.

Nicht einmal in den Kitas mag man an die Gratisbetreuung glauben, die in Rheinland-Pfalz und dem Saarland bereits Realität ist. „Ich bezweifle, dass das nötige Geld da ist“, sagt Dorothee Stegmeier, Leiterin des evangelischen „Tabea“-Kindergartens in Neukölln. Statt Umsonst-Kita wünscht sich Stegmeier lieber ein Drittel mehr Personal. In ihrem Kindergarten werden 77 Kinder von 13 Erzieherinnen betreut, der Migrantenanteil liegt bei 43 Prozent. „Wir brauchen mehr Stellen und keine Pauschalangebote.“

Heike Scharatow vom gemeinnützigen Kita-Träger „Mittelhof“ in Zehlendorf wundert sich über die „merkwürdige Planung“ des Senats. „Erst 2004 wurden die Beiträge explosionsartig erhöht, und jetzt soll alles umsonst sein?“, fragt sie skeptisch.

Vielleicht geht Wowereits Vorstoß auch in eine ganz andere Richtung. Linkspartei-Chef Lederer befürchtet, dass er Auftakt für eine weitere Gebührenerhöhung nach der Abgeordnetenhauswahl sein könnte. Betroffen könnten dann vor allem gut verdienende Eltern sein, deren größerer Beitrag die Umsonst-Kita für sozial Schwache mitfinanzieren würde. Lederer hat allen Grund, Wowereit zu misstrauen: Die Kitagebühren hatte die SPD damals gegen den massiven Widerstand seiner Partei erhöht.