Bio-Tomaten für ein Altenheim

Während der insolvente Hotelier Günter Mergel seine Delmenhorster Immobilie einer rechtsextremen Stiftung schenken will, setzt Bürgerinitiative weiter auf das Prinzip „Abwehrkauf“. Der Stadt werfen die Aktivisten politisches Versagen vor

von JAN ZIER

Martin Clausen ist Gärtner, Biogärtner aus Delmenhorst, um genau zu sein. Und er verkauft Tomaten. Die wiederum sind nicht nur ökologisch wertvoll, sondern politisch korrekt. Denn es sind „Bio-Tomaten gegen rechts“: Zehn Kilo hat Herr Clausen jetzt dem Kampf gegen den Rechtsextremismus zur Verfügung gestellt, zwei Euro soll das Kilo kosten. Dabei ist der Biogärtner nur einer von vielen: In Delmenhorst werden derzeit Bratwürste und Gulaschsuppen „gegen rechts“ verkauft, Frauen malen Delmenhorst „bunt statt braun“, auch „Rock gegen rechts“ steht an. Der Erlös all dessen kommt ausnahmslos der Bürgerinitiative „Für Delmenhorst“ zugute. Sie will das ehemalige „Hotel am Stadtpark“ erwerben – bevor dies Jürgen Rieger tut, namens seiner „Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Limited“.

Gestern nun kündigte der bisherige Eigentümer, Günter Mergel, via Radio Bremen an, sein Hotel zu „verschenken“ – an eben jene Briefkasten-Stiftung, als deren Direktor der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Hamburger Rechtsanwalt Rieger fungiert. Im Gegenzug soll die Stiftung auch die Schulden übernehmen, die noch auf der Immobilie lasten. Mergel zufolge laufen derzeit jährlich rund 120.000 Euro an Zins und Tilgung an.

Die Bürgerinitiative ficht die mögliche Schenkung nicht an: Sie sammelt weiter für einen „Abwehrkauf“ der Immobilie – und versucht zugleich, die Stadtoberen aus dem Geschäft mit Mergel auszubooten. Die Stadt habe in den Verhandlungen mit Günter Mergel „völlig versagt“, sagt Eva Sassen, zugleich Oberbürgermeister-Kandidatin bei den anstehenden Kommunalwahlen. In der Stadt mache sich ein „wahnsinniger Brass“ auf die Stadtoberen breit, sagt Sassen.

Das sehen nicht alle so: SPD-Kandidat Patrick de la Lanne beispielsweise lobt die Verwaltung dafür, das Terrain zum Sanierungsgebiet erklärt zu haben. Das könne durchaus eine Möglichkeit sein, das Rechtsgeschäft noch zu verhindern.

25 Tage vor dem Urnengang haben die Bewerber um die Verwaltungsspitze den Protest gegen den Hotelverkauf vor allem als Pflichttermin im Kommunalwahlkampf erkannt. Bei der größten Demonstration, die Delmenhorst je erlebt hat, wurde lediglich der von der CDU für die Nachfolge von Carsten Schwettmann (CDU) ausgeguckte Heinz Stoffels nicht gesichtet: Keine Überraschung, schließlich sind keine nennenswerten öffentlichen Äußerungen des Polizeirats seit Mitte Juni mehr registriert worden: Da sprach Stoffels ein Grußwort zum 60-Jährigen des CDU-Kreisverbandes.

Die Bürgerinitiative setzt unterdessen darauf, Rieger das Hotel doch noch vor der Nase wegschnappen zu können. Angesichts des Ärgers auf die Stadt, so Sassen, hätten viele BürgerInnen bisher aber noch kein Geld gespendet. Dennoch kamen bis gestern 708.647 Euro zusammen; ein Fünftel der von Mergel geforderten Summe. Der Stadt ist dieser Preis zu hoch – immer wieder, sagt Sassen, habe sie ihn drücken wollen. Mehr als 1,5 Millionen Euro, so wurde lanciert, sei die Immobilie nicht wert. Und es scheint auch sicher zu sein, dass das sanierungsbedüftige Hotel die geforderten 3,4 Millionen nicht wert ist: Eine genaue Wertschätzung fehlt bislang.

Nun unterbreitete Sassen dem gescheiterten Hotelier ein neuerliches Verhandlungsangebot – mit der Zusage, dabei die Stadtverwaltung außen vor zu lassen. Bisher wollte die Bürgerinitiative die geplante Übernahme der Immobilie gemeinsam mit der Stadt realisieren.

Sassen reagierte damit auf Aussagen Mergels gegenüber Radio Bremen. „Ich habe die Schnauze voll, mit der Stadt zu arbeiten“, wird der Geschäftsmann zitiert. Sein Ziel sei vor allem, das mögliche Vorkaufsrecht der Stadt auszuhebeln, sagte Mergel dem Sender. Ob er auf Sassens Angebot eingeht, stand gestern noch nicht fest.

Auch im Aktionsbüro des „Forums gegen rechts“ mehrt sich der Verdacht, dem Hotelier könnte von der Stadt „übel mitgespielt worden sein“, wie eine Aktivistin es formuliert. Jahrelang lieferten sich Mergel und die Kommune Gefechte. Der Lärm aus den beiden benachbarten Veranstaltungszentren war dabei ebenso Gegenstand von Prozessen wie das Volksfest, das vor dem Hotel stattfindet.

Eine Idee, was aus dem „Hotel am Stadtpark“ werden soll, hat Sassen auch schon: Eine „Alten-Residenz“ soll einziehen.

weiterer bericht SEITE 6