Spaghetti-Eastern Marke Buck

Wenn Detlev Buck einen Film macht, ist das für die Umgebung meist ein echtes Ereignis. Besonders, wenn er in einer Gegend wie dem Schaalsee am Westrand Mecklenburgs dreht. Hier sagen sich ansonsten Fuchs und Hase gute Nacht, aber Filmstandort will die Region natürlich trotzdem werden

Sein Lächeln ist nichtgehässig. Buck ist so.Und er mag dieseGegend und ihre Leute

von JAN FREITAG

Detlev Buck und Claus Boje wirken nicht gerade wie eineiige Zwillinge. Schon gar nicht, wenn sie so nebeneinander sitzen. Der schauspielernde Regisseur sieht immer ein wenig aus, als habe er die Nacht durchgemacht, sein ausführender Produzent dagegen, als sei er soeben nach einer ausgiebigen Massage der Sonnenbank entstiegen. Es wäre schwer, einen Ort zu finden, an den beide gleichermaßen passen – der lässige Filmemacher und sein leicht geleckt wirkender Filmerealisierer. Hier aber, in der bäuerlichen Museumshofanlage von Möllin, wirken sie beide fremd wie Affen am Polarkreis.

Möllin, das ist ein Dorf am Westrand Mecklenburg-Vorpommerns, und das Ambiente, in dem die BojeBuck Produktion GmbH ihr neues Projekt vorstellt, ähnelt eher einem Kaffeekränzchen als einer Filmpräsentation. Aber hier, nur hier, sagt Detlev Buck und liefert dazu ein gelangweiltes Halblächeln, das niemand so beherrscht wie der Mann aus Bad Segeberg, funktioniert ein Streifen wie „Hände weg von Mississippi“. Denn: „Western ist Provinz“, sagt er, „nicht Großstadt.“

Da hat er Recht und der Drehort am Biosphärenreservat Schaalsee ist so provinziell, dass der vielköpfig angereiste Filmtross aus der Hauptstadt morgens erst mal kräftig abhusten muss, so sauber ist die Luft an diesem idyllischen Fleckchen Natur zwischen Hamburg und Schwerin. Menschen leben hier kaum, dünner besiedelt ist selbst das bevölkerungsarme Bundesland im Nordosten kaum irgendwo sonst. Dafür gibt es Pflanzen und Tiere in einer solchen Reichhaltigkeit, dass die Unesco ihre schützende Hand über das riesige Naturschutzgebiet hält. Eine heile Welt, so altbacken es klingt. Davon handelt auch „Hände weg von Mississippi“, obwohl der Regisseur es anders beschreibt. „Das ist keine heile, es ist eine idealisierte Welt, die es so nur noch in Ansätzen gibt“, sagt er über jene Mischung aus Abenteuergeschichte und Naturfilm, für die der Schaalsee ein perfektes Umfeld bietet. „Es war uns wichtig, etwas Verwurzeltes zu machen“, ergänzt Produzent Claus Boje. „Die ganze Atmosphäre hat etwas Heimisches.“ Hauptdarsteller sind die Landschaft („einmalig schön“), die Botschaft („vom Guten in der Welt“), die Dorfgemeinschaft („wo die Jungen noch mit den Alten zusammenleben“) und ein Pferd namens „Mississippi“.

Buck dreht also einen Western. Oder das, was Buck dafür hält. Er nimmt sich noch eine Gabel vom hausgemachten Pflaumenkuchen und lacht in sich hinein. „Fast schon einen Spaghetti-Western“, wegen der ruhigen Beschaulichkeit. Noch besser aber: einen für Kinder. Schließlich geht es in der gleichnamigen Romanvorlage der weltweit erfolgreichsten lebenden Kinderbuchautorin Cornelia Funke um ein pittoreskes Reittier und eine Horde aufgeweckter Kids mit Hosenträgern und Zöpfen, die darum kämpfen. Viel mehr muss man über den Plot gar nicht erzählen. Die Bösen sehen böse aus und die Guten eben gut, Tiere sind allesamt ungewöhnlich beseelt, Mädchen niedlich, Jungs robust und drum herum ist alles so märchenhaft wie möglich, ohne irreal zu wirken. Eine Mischung aus Räuber Hotzenplotz, TKKG und Black Beauty.

Acht Wochen dauern die Dreharbeiten inmitten der Pampa und der Schaalsee dient als Bühne. Eine sonnendurchflutete. Normalerweise. An diesem Tag jedoch gießt es wie aus Kübeln. Von morgens bis abends. Selbst bei Innenaufnahmen legt das Team selten die wetterfeste Kleidung ab. Nur ein kleiner Teil der – auch ohne Schauspieler – mehr als 60-köpfigen Crew passt in die angemietete Tenne eines reetgedeckten Hexenhäuschens in Nesow am Rande des Biosphärenreservats, einem von 16 Drehorten. Dass hier mit Detlev Buck, Katharina Thalbach und Milan Peschel gerade drei gestandene Größen des deutschen Films eine Szene ihres Kinderwesterns machen, nimmt hier niemand mehr so recht wahr.

Die Anwohner sind Teil des Ganzen, die meisten Komparsen aus der Gegend und – wie Hauptdarstellerin Katharina Thalbach mit ihrem knarzenden Kettenraucherinnenberlinerisch pflichtschuldig beteuert: alle janz wunderbar. Auch eine der kindlichen Schlüsselrollen wurde lokal besetzt, mit Konstantin Kaucher, einem 13 Jahre jungen Film-Debütanten aus dem benachbarten Rögnitz.

Wie sagt man gern so schön, wenn es um solche Landstriche geht: Das ist gut für die Region. In der Tat. Die Leitung des Biosphärenreservats schwärmt ebenso von Imagegewinn und Werbenutzen wie die Tourismusverbände. Und Geld fließt auch. Jeweils 300.000 Euro steuern die Filmförderungen von Hamburg und Berlin-Brandenburg zum Projekt bei, rund 50 Prozent der Gesamtkosten. Dass aus dem Set-Land gerade mal 15.000 Euro fließen, kennzeichnet die Rangordnung der Standorte. „Das reicht doch immerhin für Kaffee und Kuchen“, sagt die Mecklenburger Vertreterin Antje Naß mit einer Mischung aus Sarkasmus, Stolz und Selbstmitleid. Ihr Land wolle sich als Filmstandort etablieren, was zumindest im Fernsehen mit Serien wie „Hallo Robbie“ oder „Ein Bayer auf Rügen“ bereits gelungen ist. Ein echter Buck-Film jedoch, großes Kino, mit Stars und Millionenetat? „Hier sind noch immer alle völlig aus dem Häuschen.“

Man könnte auch Ferienhäuschen sagen, denn besonders der Tourismus profitiert von solchen Investitionen. Dabei benötigt das wichtigste ökonomische Standbein zwischen Rügen und Schaalsee derlei Hilfe von außerhalb noch am Wenigsten. Im Fremdenverkehr verzeichnet das Industriemangelgebiet seit Jahren bundesweit höchste Wachstumsraten. „Es war unheimlich schwer, Zimmer für die ganze Crew zu kriegen“, sagt ein Mitglied an der provisorischen Basis des Filmtrosses auf einer Wiese unweit des Drehorts. Wer auch immer hier ist, aus Berlin oder Hamburg, mit BojeBuck-Regenjacken und urbanem Outfit, schwärmt von der landschaftlichen Schönheit. Dem Kapital des Landes mit den meist schlechtesten Kennziffern der Republik.

Detlev Buck nimmt es gern mal aufs Korn. „Weißt“, äfft er die ortstypische Verkürzung von ‚weißt du‘ nach. Vier-, fünfmal. „Weißt, so sacht man das hier.“ Sein Lächeln ist nicht gehässig, Buck ist so. Und er mag diese Gegend und ihre Leute, kein Zweifel, sie spielen eine Hauptrolle in seinem Spaghetti-Eastern. Vielleicht kommt er ja mit dem nächsten Film zurück. Gut wär‘s ja. Für die Region.