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: Viel Lärm um nichts?

Der Prozess gegen „Cicero“ findet nicht statt. Eigentlich Zeit, sich umso stärker um die BND-Affäre zu kümmern. Doch ausgerechnet da hakt’s

Immerhin noch knapp vor der eigenen Verjährung ist nun eine Posse ins vorläufige Grab getragen worden, die viel zur Aufgeregtheit in der ohnehin recht zickigen Beziehung von Staat und Medien beitrug. Es geht natürlich um den Fall Cicero.

Wegen Geheimnisverrats war ermittelt worden, am 12. September 2005 wurden Redaktionsräume und Privatbüros der betroffenen Journalisten – allen voran des damaligen Cicero-Mitarbeiters Bruno Schirra – durchsucht und Recherchematerial beschlagnahmt. Der Vorwurf: Schirra hatte Monate zuvor in einem Cicero-Bericht aus internen Papieren des BKA über den Terroristen Abu Mussab al-Sarqawi zitiert. Auch für Chefredakteur Wolfram Weimer und einen Redakteur des Schweizer Sonntagsblick, der mit Schirra zusammengearbeitet hatte, interessierten sich die Strafverfolger. Das Verfahren gegen Weimer wurde gegen Bußgeld später eingestellt, auch gegen die beiden anderen kam es nie zum Prozess: Das Landgericht Potsdam ließ die Anklage schlicht nicht zu. Am Dienstag erklärte auch das Oberlandesgericht, was es von der Beschwerde der Potsdamer Staatsanwaltschaft gegen die Nichtzulassung hält – nichts nämlich.

Wenig passiert also außer zwei schallenden Ohrfeigen für die Staatsanwaltschaft ? Leider doch: Denn im Zuge der Ermittlungen, von denen sich sogar am Ende ein beteiligter Staatsanwalt mehr oder weniger öffentlich distanzierte, hatte sich der seinerzeit zuständige Innenminister Otto Schily (SPD) in der Abenddämmerung der rotgrünen Koalition zu einer Suada gegen die Allmacht der Medien und die natürliche Reaktion des wehrhaften Staates verstiegen. Und die führt bis heute zu einem eigenartigen Rote-Liste-Feeling bei den Medien: Sobald der Staat auch nur zuckt, liegt ein Hauch von Spiegel-Affäre über dem Land, ist die Pressefreiheit in Gefahr.

Geht’s auch ein paar Nummern kleiner? Natürlich war der Fall Cicero daneben, und noch danebener die Bespitzelung von Journalisten durch den BND. Chefredakteure verhaftet, Redaktionen besetzt oder Beschlagnahmungen verfügt wurden dabei – anders als 1962 beim Spiegel – aber nicht.

Verwerflich ist nun aber nicht so sehr der wohlfeile Alarmismus von Journalistenorganisationen Marke „Pressefreiheit vor dem Aus“. Sondern vielmehr ein feiner Unterschied in der Aufarbeitung der Fälle BND und Cicero: Der Fall Cicero wird am 22. November ein Nachspiel vor dem Bundesverfassungsgericht haben. Bei der Journalistenbespitzelung durch den Geheimdienst lassen derartige Konsequenzen weiter auf sich warten.

STEFFEN GRIMBERG