Allmächtige Moral

In Südafrika wird die Einführung einer Vorzensur für Medienberichte diskutiert. Dafür sollen sogar Gesetze aus der Apartheid reaktiviert werden

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Der Pressefreiheit in Südafrika droht eine drastische Einschränkung, sollte wie geplant eine Gesetzesänderung im Parlament verabschiedet werden. Dann würden nicht nur die Veröffentlichung von Filmen und Publikationen, sondern auch jegliche Nachrichten der Prüfung und damit der Zensur durch ein dem Innenministerium zugeordnetes Gremium unterliegen. Derzeit wird noch in Ausschüssen über diese neuen Bestimmungen beraten, aber es häufen sich bereits Proteste von Medienorganisationen. Das Institut für Pressefreiheit (Freedom of Expression Institut) und das südafrikanische Forum für Herausgeber (South African National Editors Forum) haben bereits angekündigt, im Falle einer Zustimmung im Parlament vor das Verfassungsgericht zu ziehen.

JournalistInnen und Verlage sehen in dieser Änderung des seit 1996 geltenden Gesetzes einen schweren Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit, die in Südafrikas Verfassung verankert ist. In erster Linie zielt die neue Regelung darauf ab, Kinderpornografie sowie gewaltverherrlichende und rassistische Darstellungen zu verbieten. Dabei gehen die aktuellen Vorschläge zurück auf ein Gesetz aus der Apartheidszeit, das jede Publikation verbot, die als obszön, unmoralisch oder anstößig galt. „Das ist gefährlich“, sagt Jane Duncan, Direktorin des Instituts für Pressefreiheit. „Und es sieht so aus, als ob diese Haltung durch wachsenden Konservativismus Auftrieb erhält, der sich hinter dem angeblichen Schutz von Frauen und Kindern versteckt.“ Aber Zensur sei nicht die Antwort auf Pornografie – schließlich könnte damit nicht der Kampf gegen die Ursachen ersetzt werden.

Ein noch stärkerer Grund zur Besorgnis: Nach der neuen Gesetzesvorlage sollen auch Nachrichtenprogramme und Agenturmeldungen dem Vorstand für Film und Veröffentlichungen vorgelegt werden, bevor sie gedruckt oder von Sendeanstalten ausgestrahlt werden können. Von derartigen Kontrollmechanismen waren die Nachrichtenmedien selbst während der Apartheid ausgenommen.

„Diese Anforderungen sind lächerlich“, meint Duncan – und auch nicht praktikabel. den VerlegerInnen und AutorInnen müssten quasi eine Lizenz beantragen, wollten sie Bücher oder Beiträge mit sexuellen Inhalten veröffentlichen oder Gewalt thematisieren. Zudem mahnt Duncan: „Diese Vorschriften sind so vage, dass die ‚Moralpolizei‘ streng genommen auch turtelnde Paare in Werbeanzeigen zensieren und Literatur sowie politische Reden prüfen müsste.“

Das Institut geht davon aus, dass die Gesetzesvorlage in dieser Form nicht verabschiedet, sondern abgemildert wird. Aber wie es zu einem solchen Vorschlag kommen konnte, ist bisher von den Verantwortlichen nicht erklärt worden: Das Innenministerium schweigt.

Bisher war die Pressefreiheit in Südafrikas Alltag fest eingebettet – auch wenn es oft Kritik von Politikern gibt, wenn Berichte für sie unangenehm ausfallen. Interne Zensur beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen nimmt dagegen besorgniserregende Formen an und hatte jüngst zur Folge, dass eine kritische Dokumentationen über Präsident Thabo Mbeki nicht ausgestrahlt wurde und Anti-Regierungs-Kommentatoren vom Sender geschasst wurden. Aber bisher hat der Sender die freie Wahl, wie er mit missliebigen Themen und Autoren umgehen will – nicht jedoch, wenn die diskutierte Gesetzesvorlage verabschiedet werden sollte. Dann wäre der Sender zur Zensur verpflichtet.