Statt Mordversuch nur Beleidigung

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage im Fall des in Potsdam niedergeschlagenen Ermyas M. Dem einen Verdächtigen wirft sie Beleidigung und gefährliche Körperverletzung vor, dem zweiten nur noch Beleidigung und unterlassene Hilfeleistung

VON GEORG LÖWISCH

Wegen des Angriffs auf den aus Äthiopien stammenden Potsdamers Ermyas M. haben die Ermittler Anklage erhoben. Die Anklageschrift sei beim Landgericht Potsdam eingegangen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gestern der taz. Dem mutmaßlichem Täter Björn L. werden gefährliche Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen. Der zweite Tatverdächtige, Thomas M., wird nur wegen Beleidigung und unterlassener Hilfeleistung angeklagt. Damit ist der Vorwurf gegen Thomas M. deutlich weniger schwer als direkt nach der Tat, als der Generalbundesanwalt beide des versuchten Mordes beschuldigt hatte.

Nach den nun abgeschlossenen Ermittlungen soll sich die Tat so abgespielt haben: Am Ostersonntag um 3.55 Uhr begegnet der 37 Jahre alte Ingenieur Ermyas M. den beiden Angeklagten an der Bushaltestelle Charlottenhof in Potsdam. Es kommt zu einem Wortwechsel, in dem Björn L. und Thomas M. den seit über 20 Jahren in Deutschland lebenden Mann als „Oller Nigger“ und „Scheiß-Nigger“ beschimpfen. Die beiden gehen weiter, Ermyas M. folgt ihnen. Es kommt erneut zum Streit. Dann schlägt Björn L. den Ingenieur mit einem harten Faustschlag ins Gesicht, so dass dieser zu Boden geht und mit dem Kopf auf den Asphalt prallt.

Der Familienvater Ermyas M. erleidet schwere Kopfverletzungen und liegt nach der Tat mehrere Wochen im Koma. Inzwischen geht es ihm besser, er kann sich jedoch an die Tat nicht erinnern. Ein Taxifahrer hat die beiden Verdächtigen gesehen und zweifelsfrei identifiziert, wie der Tagesspiegel vor einigen Tagen berichtete. Dazu äußerte sich der Sprecher der Staatsanwaltschaft nicht. Es gebe aber zahlreiche Zeugen. Er verwies zudem auf einen Mitschnitt von der Telefonmailbox der Frau des Opfers. Darauf sind die Beleidigungen zu hören, denn kurz bevor er beleidigt wurde, wollte Ermyas M. auf die Mailbox sprechen. Björn L. soll auf dem Band von Zeugen wiedererkannt worden sein – wegen seiner hohen Stimme trägt er den Spitznamen „Pieps“.

In der Anklageschrift ist von einem rechtsradikalen Hintergrund nicht die Rede. Nach der Tat hatte der damalige Generalbundesanwalt Kay Nehm den Fall an sich gezogen und wegen Mordversuchs ermittelt. Als Grund nannte Nehm damals, die Täter wollten mit ihrer Tat ein fremdenfeindliches Zeichen setzen. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte ihm vorgeworfen, zu überziehen. Ende Mai gab der oberste deutsche Ermittler den Fall wieder an die Potsdamer Kollegen zurück: Den Tätern könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit eine Tötungsabsicht nachgewiesen werden, und für Körperverletzung sei die Bundesanwaltschaft nicht zuständig. Im Fall von Thomas M. wurde nicht einmal mehr dieser Vorwurf aufrechterhalten. Der 31-Jährige ist auf freiem Fuß. Dem 29-jährigen Björn L. werde „gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ vorgeworfen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Er sitze in Untersuchungshaft.