Motiv Fremdenhass

Der Anschlag auf einen Moskauer Markt mit zehn Toten könnte einen rassistischen Hintergrund haben

MOSKAU taz ■ Der Anschlag auf einen Markt im Osten der russischen Hauptstadt Moskau hat möglicherweise einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Bei der Explosion waren am Montag zehn Menschen getötet und mindestens 50 zum Teil schwer verletzt worden. Unmittelbar nach dem Anschlag konnten Händler des Tscherkisowk-Marktes zwei Tatverdächtige stellen. Einen dritten Verdächtigen nahm die Polizei gestern in Moskau fest.

Die Händler und Arbeiter auf dem Tscherkisowsk-Markt stammen vornehmlich aus Zentralasien und dem Kaukasus. Aber auch Vietnamesen und zunehmend Chinesen sind darunter. Zunächst wollte Moskaus Staatsanwaltschaft auch ein terroristisches oder kriminelles Motiv nicht ausschließen. Gestern sagte Moskaus Staatsanwalt Juri Sjomin der Nachrichtenagentur Interfax jedoch, die Inhaftierten seien früher bereits durch Teilnahme an extremistischen Aktionen aufgefallen. Bei den Verdächtigen handelt es sich um drei Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren. Laut Internetdienst gaseta.ru seien sie zuletzt im Zusammenhang mit einer gewalttätigen Aktion gegen Moskaus Schwule im Frühjahr aufgefallen.

Sjomin bestätigte auch, dass es sich bei den Festgenommenen um Studenten handele. Der 1,2 Kilogramm schwere Sprengsatz war von einem Absolventen des Fachbereichs Chemie einer Moskauer Hochschule gebastelt worden. Bei der Durchsuchung der Wohnungen stieß die Polizei auf chemische Substanzen, die auch für den tödlichen Sprengsatz verwendet worden waren. Daher sei nicht auszuschließen, dass die Studenten auch an früheren Anschlägen in Moskau beteiligt gewesen seien.

Überdies stellten die Ermittler umfangreiches rechtsradikales Material und rassistische Schriften sicher. Eine Verbindung zum organisierten Rechtsradikalismus oder Skinheads sei aber nicht zu erkennen. Die Attentäter hätten jedoch landesweit zu Gleichgesinnten per E-Mail Kontakt unterhalten.

Rassistische Überfälle und Morde gehören in Russland zum Alltag, ohne dass die Verantwortlichen Maßnahmen ergreifen. Im Gegenteil: Russlands Strafverfolgungsbehörden begegnen Umtrieben der rechtsradikalen Szene mit äußerster Nachsicht. Auch die Justiz neigt dazu, Gewaltverbrechen als „Hooliganismus“ strafrechtlich zu entschärfen. KLAUS-HELGE DONATH