Es ist etwas im Busch

Deutschland zu Gast in den rückständigsten Winkeln der Welt, eingeladen von Sat.1 zur neuen Selbsterfahrungsrunde in der Lehmhütte: die Dokusoap „Wie die Wilden“ (21.15 Uhr)

Traurige Tropen? Das war gestern, heute darf dort gelacht werden. Wenn die Wilden Komparsen einer deutschen Doku-Soap sind, ist das Fremde allenfalls komisch, aber nicht befremdend. Die „Wilden“ sorgen für eine aufregend-lebendige Kulisse. Live natürlich. Denn die Kamera ist immer dabei, wenn drei deutsche Familien mit ihren Kindern aus Berlin, Kassel und Dingden drei Wochen bei Stämmen in Togo, Namibia und Indonesien leben. Deutschland zu Gast in den rückständigsten Winkeln der Welt, eingeladen von Sat.1 zur neuen Selbsterfahrungsrunde in der Lehmhütte. Nach dem Motto: Wir fürchten uns vor nichts, schon gar nicht vor uns selber!

„Wie die Wilden – Deutsche im Busch“ heißt die neue Doku-Soap von Sat.1, die heute Abend anläuft. Gerade richtig zur Nachurlaubszeit, wenn die eigenen Verfehlungen beim schief gelaufenen Kulturkontakt auf den Balearen noch frisch sind. Denn es strotzt vor Missverständnissen, wenn deutsche Selbstgewissheit auf Abenteuer geht. Wenn die Lehrerin und Mutter Düvel in ihrem Übereifer selbst gebackenes Brot anbietet, geht den Zuschauern nicht nur das Herz auf. Deutsches Brot und deutsche Pädagogik in Namibia – das hatten wir schon einmal. Doch statt bierernstem Kolonialismus heute als billige Realityshow. Da sind die Lacher vorprogrammiert: über die Missverständnisse beim Blick in fremde Hütten.

Natürlich ist die Soap kein „zurück zu den Ursprüngen der menschlichen Zivilisation“, wie Sat.1 vollmundig ankündigt. Es geht auch nicht um „neue Überlebenstechniken ohne Supermarkt“. Selbst wenn den beleibten männlichen Mitgliedern der Berliner Familie Fröhlich die schmalen Eingänge der Taberma-Hütten in Togo versperrt bleiben. Es geht alleine um die skurrile Show. Und wenn Vater Sauerzapf-Koch aus Kassel mit seiner fitnessgestählten Figur im Lendenschurz zwischen den ausgemergelten Einheimischen bella Figura macht – da erkennt der Zuschauer die natürliche Überlegenheit seines Lebensstils.

Das alles ist so schön peinlich, dass man sich beim Zuschauen köstlich amüsiert. Auch wenn das Elend der mitreisenden Kinder anrührt: Sie empfinden Abscheu vor dem Dreck, dem zu viel an Körperkontakt, dem Exhibitionismus der Eltern und der armseligen Fremde. Sie könnten fast den Spaß verderben.

Sat.1 versichert jedenfalls, dass all dies mit Respekt produziert wurde. „Vor dem Drehbeginn wurde den Stämmen das Format erklärt… Die Stämme wurden für ihr Mitwirken entlohnt“. Na also! Und vielleicht kommen bald Stammesmitglieder aus Togo, Indonesien und Namibia nach Deutschland, zum interkulturellen Austausch und zur neuen Soap „Wie die Deutschen – Wilde in Deutschland.“

EDITH KRESTA