Planet Hollywood?

Bei einer Tagung in Prag wollen sich Astronomen darauf einigen, was ein Planet eigentlich ist. Es gäbe dann zwölf in unserem Sonnensystem, sehr zum Ärger von Astrologen und anderen Skeptikern

VON ARNO FRANK

„Aber wenn ihr ihnen sagt: der Planet, von dem er kam, ist der Planet B 612, dann werden sie überzeugt sein und euch mit ihren Fragen in Ruhe lassen.“

Antoine de Saint-Exupéry

Der Weg in unser Sonnensystem führte bisher über eine Eselsbrücke: „Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten“, also Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto. Künftig aber könnte der Vater in die Bredouille kommen. Heute wollen in Prag 2.500 Experten der Internationalen Astronomischen Union (IAU) neu entscheiden, was ein Planet eigentlich ist.

Zur Debatte steht eine neue Definition, nach der wir nicht mehr von neun, sondern von zwölf Planeten in unserem Sonnensystem ausgehen müssten. Abgestimmt wird über den Vorschlag, ein Planet solle gefälligst rund sein, einen Durchmesser von mindestens 800 Kilometern haben, wenigstens ein Zwölftausendstel der Erde wiegen und auf eigener Bahn um die Sonne kreisen, ohne selbst eine Sonne zu sein. In der Warteschleife drehen sich derzeit der Asteroid Ceres, das Objekt Xena und Charon, der größte Mond des Pluto. Letzterer würde dabei zum Namensgeber einer ganzen Familie von „Plutonen“ avancieren. Und Plutonen gibt es im Kuiper-Gürtel, einer Art stellaren Bauschutthalde unseres Sonnensystems jenseits der Bahn des Neptun, unzählbar viele – inklusive Pluto selbst, der 1909 erstmals vermutet und 1930 mit einem eigens dafür eingerichteten Observatorium „entdeckt“ wurde. Dass der Winzling, kleiner noch als der Mond der Erde, überhaupt in den Kreis der Planeten aufgenommen wurde, halten manche Astronomen für den eigentlichen Fehler. Weil man es nicht wagte, dem einzigen je von einem Amerikaner entdeckten Planeten diese Eigenschaft wieder abzusprechen, kommen auch andere Kandidaten in Frage. Xena beispielsweise, geschmackvoll benannt nach einer TV-Fantasy-Heldin. Sie dreht ihre Bahnen nicht nur jenseits des Pluto, die ist auch weitaus größer. Gilt aber Xena als Planet, dann müssten auch mindestens zwölf andere Sonnentrabanten mit ähnlichen Eigenschaften in die Familie aufgenommen werden, darunter die Asteroiden Vesta, Pallas und Hygia. Seit das All mit immer besseren Instrumenten belauscht und beäugt wird, wächst eben auch das belauschte und beäugte Chaos da draußen.

Gegner der neuen Definition stören sich übrigens schon an der Vergabe der Namen. Charon beispielsweise geht auch nicht auf eine mythologische Figur zurück, sondern auf eine gewisse Sharon, die Ehefrau des Entdeckers. Wenn das so weitergeht, dann könnten neu entdeckte Himmelskörper bald nach Sponsoren wie Planet Hollywood, DaimlerChrysler oder Microsoft benannt werden.

Ursprünglich hieß Xena übrigens „2003 UB 313“, was Antoine de Saint-Exupéry sicher gut gefallen hätte: „Wenn ein Astronom einen von ihnen entdeckt, gibt er ihm statt des Namens eine Nummer. Er nennt ihn zum Beispiel: Asteroid Nr. 3.251. Ich habe ernsthafte Gründe zu glauben, daß der Planet, von dem der kleine Prinz kam, der Asteroid B 612 ist. Dieser Planet ist nur ein einziges Mal im Jahre 1909 von einem türkischen Astronomen im Fernrohr gesehen worden. Er hatte damals beim internationalen Astronomenkongreß einen großen Vortrag über seine Entdeckung gehalten. Aber niemand hatte ihm geglaubt, und zwar ganz einfach seines Anzuges wegen. Die großen Leute sind so. Zum Glück für den Ruf des Planeten B 612 befahl ein türkischer Diktator seinem Volk bei Todesstrafe, nur noch europäische Kleider zu tragen. Der Astronom wiederholte seinen Vortrag im Jahre 1920 in einem sehr eleganten Anzug. Und diesmal gaben sie ihm alle recht.“