Kritische Anzeige „ersatzlos streichen“

Gentech-Gegner wollen in einem Bio-Einkaufsführer vor den Gefahren durch manipuliertes Saatgut warnen. Doch das Bundesagrarministerium gibt den Druck nicht frei. Denn den Beamten von Minister Seehofer passt der Inhalt des Textes nicht

„Informationsfreiheit hört auf, wo die Staatsförderung beginnt“

VON HANNA GERSMANN

Benedikt Härlin ist wütend. Er kämpft gegen die Gentechnik auf dem Acker und hat die Initiative „SOS – Save our Seeds“ gegründet. Das heißt so viel wie: „Rettet unser Saatgut.“ Jetzt fühlt Härlin sich drangsaliert – von CSU-Bundesagrarminister Horst Seehofer.

Denn Seehofers Mitarbeiter haben eine kostenlose SOS-Anzeige in einem neuen Bio-Einkaufsführer verboten. „Save our Seeds ersatzlos streichen“, lautete die lapidare Anweisung des Agrarministeriums. Das ministerielle Schreiben – es liegt der taz vor – ging allerdings nicht direkt an Härlin, sondern an den Herausgeber der Broschüre. Das ist die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin und Brandenburg (FÖL). Dort heißt es: „Wir haben auf die Entscheidung keinen Einfluss.“

Das Ministerium finanziert die Broschüre mit gut 160.000 Euro aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau. 1,4 Millionen Exemplare sollen gedruckt werden. Seehofers Haus will den Druck nun aber nicht freigeben, falls die Anzeige mit dem Titel „Nie mehr ohne?“ nicht entfällt. Dabei ist nicht das Bild – gelber Maiskolben mit rotem Kondom – das Problem. Das Ministerium hat auch einen Alternativ-Entwurf ohne Präservativ abgelehnt. Den Beamten passt die Botschaft nicht.

Denn auf der DIN A 6 großen Reklame ist zu lesen: Als Verbraucher/in sollen Sie frei wählen können, ob Sie sich mit oder ohne Gentechnik ernähren. Noch ist das so. Doch nach dem Willen der Saatgut-Industrie soll „ein bisschen Gentechnik“ bald in sämtlichem Saatgut enthalten sein, ohne dass Landwirte und Verbraucher das wissen. Sogar im Bio-Saatgut!

Diese Sätze seien „zu politisch“ und „polarisierend“, findet Seehofers Sprecherin Tanja Thiele. „Solche Aussagen widersprechen der Philosophie des Bundesprogramms Ökologischer Landbau.“ Ist der Text denn falsch? „Nein“, sagt Thiele, bewerten wolle sie ihn nicht – „Gentechnik ist ein komplexes Thema.“

Die Fakten: Bisher schreibt die Europäische Union vor, dass Saatgut gekennzeichnet werden muss, sobald es eine Spur von Gentechnik enthält. Die Lobby der Agrarkonzerne wie Monsanto, Bayer oder BASF setzt sich seit langem dafür ein, diese Regelung aufzuweichen: Der Bund der Deutschen Pflanzenzüchter fordert in einem Positionspapier „einen Kennzeichnungsschwellenwert für Saatgut von 0,9 %“. Bei geringeren Verunreinigungen soll es keinen Hinweis geben.

Der Appell an die Politik kommt an: Anfang 2007 übernimmt Deutschland die Ratspräsidentschaft der EU. Die Bundesregierung wird dann, so wird derzeit gemunkelt, auch eine neue Regel für die Genhinweise auf dem Saatgut verhandeln. So positionieren sich schon mal beide Seiten – Genbefürworter und -kritiker.

SOS-Mann Härlin erklärt: „Für die Biobranche ist die Gentechnikfreiheit eine Überlebensfrage.“ Im Ökoladen sei Gentechnik tabu. Bauern würden ihre Ernte dort nicht mehr los, könnten sie keine „Reinheitsgarantie“ geben. Zwar könnten sie ihre Ware noch an konventionelle Händler verkaufen. Der Ökoaufschlag aber gehe verloren. Und schon rechne sich die aufwendigere Bioproduktion nicht mehr.

SOS wolle mit der Anzeige Bürger über die Gentechnik aufklären, meint Härlin. Es sei „keine Lösung, die Information über die Probleme zu unterdrücken“. Härlins resigniertes Resümee: „Offensichtlich hört die Informationsfreiheit da auf, wo die Förderung des Agrarministeriums beginnt.“