Weimar: kein „sorry“ nach Eklat

Hermann Schäfer, Stellvertreter des Kulturbeauftragten, will sich nicht entschuldigen. Zweifel an geschichtspolitischer Linie der Bundesregierung

DRESDEN taz ■ Der Eklat um die Eröffnungsrede des stellvertretenden Bundeskulturbeauftragten Hermann Schäfer beim Weimarer Kunstfest zieht weitere Kreise. Der Leiter der Buchenwald-Gedenkstätte, Volkhardt Knigge, forderte gestern eine Entschuldigung Schäfers oder zumindest eine Erklärung des Bundesbeauftragten für Kultur. Er erhalte zahlreiche Anfragen, ob dies die neue Geschichtspolitik der Bundesregierung sei, und könne sie nicht beantworten.

Knigge sprach von einem Skandal. Dabei meine er weniger die Schäfer-Rede als solche, sondern das politische Signal, das von ihr ausgehen könne. Schließlich habe Schäfer, der auch als Vertreter des Bundes dem Stiftungsrat der Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora angehöre, nicht als Privatperson gesprochen. „Das muss erklärt werden.“

Schäfer, der frühere Direktor des Bonner Hauses der Geschichte, hatte in seiner Eröffnungsrede am Freitag lange über Flucht und Vertreibung gesprochen, die Verbrechen der Nazis im nahe gelegenen KZ Buchenwald aber nicht erwähnt. Das Eröffnungskonzert ist jedoch traditionell dem „Gedächtnis Buchenwald“ gewidmet. Unmutsäußerungen im Saal hatten zum Abbruch seiner Ansprache geführt.

Die von Knigge geforderte Erklärung sei nicht zu erwarten, sagte gestern eine Sprecherin des Bundespresseamtes der taz. Sie räumte ein, dass Schäfer als Verantwortlicher für die Ausstellung über Flucht und Vertreibung wohl breit auf ein ihm besonders nahe stehendes Thema eingegangen sei. In der Tat nimmt es die erste Hälfte des Redemanuskripts ein.

Die vollständige Lektüre entschärft den Eindruck etwas, der an diesem heiklen Ort ob der Unsensibilität des Redners entstanden sein muss. Schäfer geht nur in seinen ersten Sätzen allgemein auf die Verpflichtung gegenüber den Opfern ein, „die Erinnerung an die dunklen Jahre der nationalsozialistischen Tyrannei wach zu halten“. Später bezeichnet er die Vertriebenen ebenfalls als Opfer, ohne Verluste gegeneinander aufrechnen zu wollen. Im zweiten Teil seiner Rede plädiert er als Historiker dafür, allen Facetten der Wirklichkeit Raum zu geben und die eigene Geschichte nicht zu verdrängen.

In einer vom Bundespresseamt verbreiteten persönlichen Erklärung hatte Schäfer die Publikumsreaktion bedauert. Er habe sich jedoch genau an die Vorgaben von Festspielleiterin Nike Wagner gehalten. „Flucht und Vertreibung, Vertreibung und Vernichtung markieren auch heute noch die Schicksale von Millionen Menschen. Wir müssen uns weiterhin diesem Thema stellen“, heißt es in ihrem Anschreiben. Frau Wagner hatte allerdings auch auf das Buchenwald-Gedenken hingewiesen.

Weimars Oberbürgermeister Stephan Wolf (SPD) entschuldigte sich offiziell „bei allen, die diesen unglaublichen Eklat miterleben mussten“. Schäfer habe das Buchenwald-Gedächtnis mit einer Veranstaltung des Vertriebenenverbandes verwechselt. So sei aus dem ehrenden Angedenken eine „Missachtung der Opfer und eine Beleidigung der Überlebenden“ geworden. Wolf nahm das Kunstfest als Veranstalter in Schutz, dessen GmbH-Verwaltungsratsvorsitzender er zugleich ist. MICHAEL BARTSCH