kirchner, rückgabe etc.
: Peter Raues Öffentlichkeit

Heimlich, still und leise, „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, klagt nun Peter Raue, sei Ernst Ludwig Kirchners „Berliner Straßenszene“, das wichtigste Kunstwerk des Brücke-Museums, an die Erben der ursprünglichen Eigentümer restituiert worden. Interessant. Bislang fand es der international bekannte Rechtsanwalt und Kunstfreund, der etwa das MoMA nach Berlin holte, durchaus in Ordnung, die Öffentlichkeit „vor vollendete Tatsachen“ zu stellen. Ob das die Sammlung Flick betraf oder kürzlich den Ankauf von Andy Warhols „Big Electric Chair“ für mehr als 5 Millionen Euro.

Einerseits soll es die Öffentlichkeit nichts angehen, wenn mit öffentlichen Geldern eine vermeintliche Dauerleihgabe von Erich Marx erworben wird, dem die Öffentlichkeit schon den Hamburger Bahnhof finanzierte. Andererseits soll es dieselbe Öffentlichkeit brennend interessieren – im Klartext, es soll sie empören –, wenn die „Berliner Straßenszene“ an die Erben der jüdischen Besitzer zurückgegeben wird. Christie’s bietet das Gemälde im November zur Auktion an und schätzt seinen Wert auf bis zu 25 Millionen Dollar. Zu diesem Preis wird das Brücke-Museum nicht dabei sein, wie der Unterhändler in Sachen Kirchner, Berlins Kultursenator Thomas Flierl, kürzlich hoffte. Doch selbst zu diesem Preis wäre das Bild nicht teurer als der Warhol.

Natürlich macht es stutzig, dass die Erben erst knapp zehn Jahre nach der Washingtoner Erklärung zur Restitution von beschlagnahmten Kunstwerken auf die Rückgabe des Kirchners bestanden; dass sie erst der Unterstützung des Auktionshauses Christie’s bedurften, das nach Ludwig Pufendorf, Vorsitzendem der Freunde des Brücke-Museums, den Rückübertragungsprozess finanzierte; dass die auf Restitutionsverfahren spezialisierte New Yorker Rechtsanwaltskanzlei Rowland & Petroff die Verhandlung führte.

Besonders die „Handreichung“ zur Washingtoner Erklärung, eine Selbstverpflichtung von Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Jahr 2001, macht es deutschen Museen schwer, sich gegen Herausgabeansprüche zu wehren. Hier muss nachgebessert werden. Denn keine Frage, wenngleich sie darauf in keinem Fall verkürzt werden kann, Restitution ist inzwischen auch ein Geschäft. Und Öffentlichkeit in Museumsfragen unbedingt – aber bitte unabhängig davon, ob es Peter Raue grade passt oder nicht. BRIGITTE WERNEBURG