Machtkampf um die Mitbestimmung

Trotz Champagnerlaune auf der Jubiläumsparty: Hinter den Kulissen wird heftig um eine Reform der Mitbestimmung gestritten. Die Arbeitgeber wollen ihre Rechte in Aufsichtsräten ausbauen – die Gewerkschaften genau das Gegenteil erreichen

aus BERLIN THILO KNOTT

Angela Merkel und Michael Sommer planten schon den nächsten Geburtstag der Mitbestimmung in Deutschland. Merkel sagte, sie könne sich eine Feier „in weiteren 30 Jahren“ vorstellen. Der DGB-Chef sagte, 100 Jahre Mitbestimmung wären doch noch besser. Gemeinsam wollten sie gestern bei einem Festakt des DGB in Berlin 30 Jahre Mitbestimmung feiern – und zwar als „eine Erfolgsgeschichte der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland“, wie beide betonten. Da wollten sie sich die Laune eigentlich nicht verderben lassen, auch nicht vom Zustand der derzeit tätigen Reformkommission zur Mitbestimmung.

Doch als die Kanzlerin auf die Arbeit der Kommission zu sprechen kam, wurde ihre Miene ernst. Sie forderte die Wirtschaft und die Gewerkschaften auf, ihre Differenzen zu überwinden. Sie warnte vor einem Scheitern der Kommission. „Ich erwarte, dass wir ein Ergebnis bekommen und es gelingt, die Gräben, die natürlich da sind, zu überwinden“, sagte Merkel.

Die Kanzlerin hatte die Kommission zur Mitbestimmung von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder übernommen, der das Gremium 2005 eingerichtet hatte. In der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD ist die Rede vom „Erfolgsmodell der deutschen Mitbestimmung“, das aber „mit globalen und europäischen Herausforderungen Schritt halten muss“. Die Kommission unter dem Vorsitz von Kurt Biedenkopf (CDU) solle einvernehmliche „Vorschläge für eine europataugliche Weiterentwicklung der deutschen Unternehmensmitbestimmung“ erarbeiten.

Doch bis heute sind keine Vorschläge in Sicht – von Einvernehmlichkeit ganz zu schweigen. Die Positionen von Arbeitgebervertretern und Gewerkschaftsfunktionären liegen weit auseinander. Die Arbeitgeberseite, in der Kommission vertreten mit BDA-Präsident Dieter Hundt, BDI-Chef Jürgen Thumann und dem DaimlerChrysler-Finanzvorstand Manfred Gentz, will das Gewicht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat verkleinern. Sie plädiert vor allem für ein Ende der paritätischen Besetzung des Kontrollgremiums. Stattdessen sollten die Arbeitnehmer künftig nur noch ein Drittel der Sitze bekommen. Ziel sei es, argumentieren die Arbeitgeber, Deutschland als Standort attraktiver für ausländische Unternehmen zu machen.

Diese Forderung ist inakzeptabel für die Gewerkschaften, vertreten durch DGB-Chef Sommer, IG-Metall-Chef Jürgen Peters und RWE-Power-AG-Gesamtbetriebsratschef Günter Reppin. „Unter dem Deckmantel der Europäisierung und Globalisierung greifen sie das deutsche Mitbestimmungsmodell frontal an“, sagte Peters gestern. Die Gewerkschaften wollen die Arbeitnehmerrechte in Aufsichtsräten stattdessen stärken, „als Bremse gegen übertriebene Renditeziele und eine einseitige Ausrichtung auf den Shareholder-Value“, wie es Peters formuliert. Die Gewerkschaften verfolgen vor allem zwei Ziele: Sie fordern Aufsichtsräte schon für Betriebe mit 1.000 Mitarbeitern – und nicht wie bisher ab 2.000 Mitarbeitern. Und sie fordern die Entmachtung des Aufsichtsratsvorsitzenden, der bisher von der Kapitalseite bestimmt wird und bei Stimmengleichheit eine zweite entscheidende Stimme in dem Gremium hat.

Kurt Biedenkopf, der schon der Kommission für das am 1. Juli 1976 in Kraft getretene Mitbestimmungsgesetz vorstand, sieht noch Einigungschancen. Sonst hätte er den Vorsitz nicht übernommen, sagt er. Auch DGB-Chef Sommer nannte gestern Spekulationen über ein Scheitern verfrüht: „Wir arbeiten daran, dass wir zu einem Ergebnis kommen.“ Nach Feierlaune hörte sich das nicht an.

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