Die Spalter spalten sich weiter

Trotz Wahlkampf gehen die parteiinternen Querelen bei der WASG weiter. Nun kritisiert auch der Gewerkschaftsflügel die Unterwanderungsstrategie der trotzkistischen SAV

Es mutet fast schon tragisch an: Monatelang waren die Mitglieder der Berliner WASG mit nichts anderem beschäftigt, als sich im Streit um eine eigenständige Kandidatur bei der Abgeordnetenhauswahl untereinander zu zerfleischen. Nachdem nun die Fusionsbefürworter von allen Posten enthoben sind, möchte man meinen, dass sich die widerspenstige Truppe um die bekennende Trotzkistin und Spitzenkandidatin Lucy Redler mit allen Kräften in den Wahlkampf stürzt. Doch Pustekuchen: Der Spaltungsprozess geht weiter.

Nach dem Landesparteitag in der vergangenen Woche geht nun auch der Gewerkschaftsflügel der WASG mit der Führungsspitze hart ins Gericht. Einen Aufruf des Landesvorstandes „an die Arbeiter“ bezeichnete WASG-Gewerkschaftsaktivist Ulrich Peter als „sektiererisch“. Darin werde unter anderem der Aufbau einer „neuen Arbeiterpartei“ gefordert. Peter kritisierte, dass der Vorstand immer stärker und offener trotzkistische Positionen der Sozialistischen Alternative Voran (SAV) „zu WASG-Positionen umettikettiert“ habe. Linker Pluralismus sei offensichtlich verzichtbar geworden.

Peter ist nicht der Einzige, der eine Unterwanderung durch die SAV – der auch Redler angehört – befürchtet. Nach dem Landesparteitag war bereits Stefan Müller von seinem Posten als Mitglied des geschäftsführenden Vorstands zurückgetreten: Er war als Länderratsdelegierter nicht wiedergewählt worden (taz berichtete). In seiner Rücktrittserklärung wirft er der Spitze um Lucy Redler vor, dass seit einigen Wochen hinter seinem Rücken „Rufschädigung“ begangen wurde. Er sei als „politisch unsicherer Kandidat“ bezeichnet worden. „Was mich politisch traurig stimmt, ist das Wissen, dass diese Unkultur weitergehen wird“, schreibt Müller.

Er selbst gehört zur so genannten „Wasserkopf-Fraktion“. Sie erhielt diesen Namen, weil sie anfangs vor allem mit Kampagnen gegen die Privatisierung der Wasserbetriebe von sich reden machte. Im Fusionsgerangel schlugen sich Müller und seine Anhänger auf die Seite von Lucy Redler. Müller ist nicht grundsätzlich gegen eine Fusion mit der Linkspartei. Doch von einer eigenständigen Kandidatur gegen die regierende Linkspartei in Berlin erhoffte er sich mehr Einfluss, um „Freiräume für linke Politik in der neuen Partei zu erkämpfen“.

Fortan arbeitete er an wesentlichen Strategiepapieren mit und galt als einer der wichtigsten Mehrheitsbeschaffer für den eigenständigen Antritt. Nun kritisiert Müller jedoch das Anliegen der Trotzkisten, die in der Berliner WASG bloß einen „wichtigen Schritt“ in die „lichten Höhen des Sozialismus“ unter „Führung der SAV“ sehen. An einem Parteibildungsprozess hätten sie kein Interesse. Es dürfte nicht das letzte Rückzugsgefecht gewesen sein. FELIX LEE