„Die Schutzpflicht verletzt“

Gül Pinar, die Anwältin von Mohamed Zammars Familie, greift die Bundesregierung scharf an

taz: Frau Pinar, Sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Einsatz der Bundesregierung für Mohamed Zammar?

Gül Pinar: In keiner Weise. Die Bundesregierung hat bisher vor allem ihre eigenen Interessen verfolgt. Als es im Sommer 2002 die Chance gab, Herrn Zammar freizubekommen, war es ihr wichtiger, von Syrien die Erlaubnis zu bekommen, Herrn Zammar im syrischen Foltergefängnis zu verhören.

Wann gab es Ihrer Meinung nach eine Chance, ihn freizubekommen?

Im Sommer 2002 reiste eine syrische Geheimdienstdelegation nach Deutschland. Sie wollte unter anderem, dass deutsche Ermittlungsverfahren gegen syrische Spione eingestellt werden. Hier war eine gute Verhandlungsposition, die Freilassung von Herrn Zammar zu erreichen. Die Bundesregierung hat dies aber nicht einmal versucht. Damit hat sie ihre Schutzpflicht für den deutschen Staatsbürger Mohamed Zammar eklatant verletzt.

Welche Beweggründe sollte die Bundesregierung hierfür gehabt haben?

Offensichtlich war es ihr vor allem wichtig, Herrn Zammar in einem syrischen Foltergefängnis zu verhören. Man hoffte wohl, dort interessantere Informationen zu erhalten als bei einem rechtsstaatlichen Verhör in Deutschland.

Ein explizites Angebot der syrischen Seite, Zammar freizulassen, gab es aber nach Ihrer Kenntnis nicht?

Mir ist Derartiges bisher nicht bekannt. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass die Bundesregierung ein solches Angebot auch gar nicht angenommen hätte. Wir haben ja im Fall von Murat Kurnaz gesehen, wie wenig der Bundesregierung die Freiheit von rechtswidrig Inhaftierten bedeutet.

Ist Zammar Ihren Informationen zufolge auch heute noch in syrischer Haft?

Davon müssen wir ausgehen. Allerdings vermuten wir, dass er nicht mehr im Geheimdienstgefängnis Far Filastin in Damaskus sitzt, sondern in den letzten Monaten verlegt wurde.

Wäre die Verlegung Zammars in ein anderes Gefängnis eine gute Nachricht?

Wenn es ein reguläres Gefängnis ist, ja.

Haben Sie die Protokolle der deutschen Verhöre mit Zammar einsehen können?

Nein. Ich habe das zwar beantragt, aber keine Antwort erhalten. INTERVIEW: CHR