Seeadler sollen bleifrei fliegen

Vogel vergiftet sich, wenn er angeschossenes Wild frisst. Neue Munition soll das ändern

BERLIN taz ■ Der Seeadler ist vom Aussterben bedroht. Vor allem macht ihm derzeit das Schwermetall Blei zu schaffen. Denn der größte Greifvogel Europas frisst Wild, das von Jägern mit Bleikugeln angeschossen wurde, später verendet und im Wald liegenbleibt. Das Bundesverbraucherschutzministerium hat nun für morgen Experten geladen, um über Alternativen zur herkömmlichen Munition der Jäger zu beraten.

Ein Drittel aller Seeadler stirbt an einer „oralen Bleivergiftung“, sagt Oliver Krone vom Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Das sei wissenschaftlich belegt. Auch die Ursache des Übels steht fest: Die Patronen der Jäger bestehen aus einem Bleikern mit Messingummantelung. Sie zerbersten beim Aufprall auf die Jagdbeute und verteilen sich im Körper, in den Gedärmen von Rehen, Hirschen oder Wildschweinen. Wenn die Jäger das tote Tier nicht finden oder die Gedärme an der Fundstelle entsorgen, freut sich der Seeadler über einen leichten Fang.

Doch mit ihrer Magensäure können die Adler nicht nur Knochen verdauen, sondern auch Blei auflösen. Das stört das Nervensystem und das Sehvermögen des Vogels. Zudem können sich bei sehr hoher Bleikonzentration die roten Blutkörperchen auflösen. Der Adler erstickt.

Alternativen zu bleihaltiger Munition gibt es zwar seit 15 Jahren im Handel, aber nur etwa ein Viertel der über 340.000 deutschen Jäger verwendet die Alternative, schätzt Gregor Beyer, forstpolitischer Sprecher des Naturschutzbundes in Brandenburg. Die Treffsicherheit der bleifreien Munition sei nicht bewiesen, argumentieren viele Jäger. Noch fehlten Studien zu Tier- und Verbraucherschutz dieser Munition.

Das wird sich bald ändern: Das Land Brandenburg hat als ersten Bundesland vor kurzem ein „Monitoring Projekt zum Einsatz bleifreier Munition“ gestartet. In Brandenburg fliegen noch die meisten Seeadler Deutschlands – nämlich 110 Exemplare. Das sind 30 Prozent des deutschen Gesamtbestands. Viele Vorschriften schützen das Wappentier Brandenburgs, gegen Blei helfen sie nicht.

An dem Projekt sind Jagdverbände, Naturschützer und Wissenschaftler beteiligt. In drei Oberförstereien wird ausnahmslos bleifrei gejagt, in drei vergleichbaren Förstereien aber wie bisher. Die gewonnenen Daten sollen klären, ob die Jäger auch mit bleifreier Munition „tiergerecht töten“ können und die Sicherheit der Munition bewerten.

Auch der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV), der rund 80 Prozent aller deutschen Jäger vertritt, begrüßt die Initiative. Wenn die Daten „entsprechend positiv ausfallen“, werde man sich für „bleifreie Munition aussprechen“, so DJV-Sprecherin Anke Nuy. „Jeder tote Seeadler ist einer zu viel.“

SUSANNE SCHWARZ