WAS MACHEN EIGENTLICH ... die Kirchen?
: Klagelieder anstimmen

Es musste ja so kommen. Gerade erst ist die unselige Plakatkampagne „Werte brauchen Gott“ zu Ende gegangen, schon präsentieren Berlins Großkirchen mit Trauermiene das Ergebnis dessen, was sie als „staatliches Monopolfach für Wertevermittlung“ diffamieren: Da seit dem neuen Schuljahr das Pflichtfach „Ethik“ unterrichtet wird, sei die Zahl der Siebtklässler, die den Religionsunterricht besuchen, „stark zurückgegangen“. Ließen sich im Schuljahr 2005/06 noch 8.470 von Vertretern der Evangelischen Landeskirche und des Katholischen Erzbistums unterrichten, sind es jetzt nur noch 6.260. Um diese „Zurückdrängung“ des konfessionellen Unterrichts zu beenden, fordern die Kirchen erneut die Einrichtung eines Wahlpflichtbereichs.

Man kann nur hoffen, dass die Männer und Frauen Gottes ihre Larmoyanz bald überwinden und konstruktiv an der Gestaltung des neuen Fachs mitwirken. Schließlich ist das Schrumpfen der Schülerzahlen letztlich ein Armutszeugnis für die Religionsgemeinschaften selbst. Könnten sie ihre Inhalte überzeugender vermitteln und wären diese Inhalte auch attraktiv, hätten sie kein Rekrutierungsproblem. Aber offenbar haben sie den Glauben an sich selbst und ihre weltanschauliche Reproduktionsfähigkeit schon verloren.

Man könnte das Ganze ja einmal andersherum betrachten: Wer sich jetzt noch die „Mühe“ macht, eine Religionsstunde zu besuchen, ist hochmotiviert. Warum begrüßen die Kirchen nicht, dass das Ethikfach den Besuch des Religionsunterrichts zu dem gemacht hat, was er eigentlich sein sollte: eine Herzensangelegenheit? CLP FOTO: REUTERS