Kleinstaaterei und Personalmangel

Kompetenzwirrwarr herrscht bei der Lebensmittelkontrolle in Deutschland. Verstöße werden selten geahndet

BERLIN taz ■ Bei der Überwachung von Lebensmitteln regiert in Deutschland die Kleinstaaterei. Jedes Bundesland, oft jeder Landkreis hat seine eigenen Maßstäbe und Methoden, um die Gesundheit von Lebensmitteln zu überprüfen. Allein in Bayern ist die Zuständigkeit dafür auf 95 eigenständige Behörden aufgeteilt, denn bis heute sind dort die Kommunen für die Überwachung zuständig. „Wir sind hier nur knapp nach 1848“, sagt Martin Müller, Vorsitzender der Lebensmittelkontrolleure in Deutschland.

Gerade acht Jahre ist es her, dass in Deutschland aufgrund einer EU-Vorgabe überhaupt bundeseinheitliche Hygienevorschriften eingeführt wurden. Sie verpflichten Betriebe, die Lebensmittel verarbeiten, Gefahren zu analysieren und Sicherheitsmaßnahmen einzuführen. Auch die Kontrolle der Kontrolleure schreibt die EU eigentlich vor, denn die zuständigen Verwaltungen müssen sich dafür zertifizieren lassen. Doch wie die EU-Richtlinie umgesetzt werden soll, wird noch diskutiert.

Die Länder lassen sich bei Lebensmittelkontrollen nur ungern in die Karten schauen. „Mehrere Länder sind nicht in der Lage, uns mitzuteilen, für wie viele Betriebe ein Kontrolleur zuständig ist“, sagt Jochen Heimberg vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Seine Behörde hat ermittelt, das im Jahr 2005 20 Prozent der insgesamt 40.925 Fleischproben beanstandet wurden. Doch nirgends ist einheitlich festgelegt, welche Personen mit welchen Methoden was konkret überprüfen darf. Die bundesweit 2.500 Lebensmittelkontrolleure sind in einigen Ländern jeweils für über 1.000 Betriebe zuständig. „Viele Stellen sind überhaupt nicht besetzt“, sagt Martin Müller. Die Behörden improvisieren gegen den Personalmangel und schicken freie Mitarbeiter in die Kühlhäuser, die nach Stundensatz bezahlt werden. So geschehen auch im bayerischen Gammelfleischskandal, wo die freiberuflichen Kontrolleure trotz eklatanter Verstöße nichts beanstandeten. Aber auch gemeldete Verstöße werden laut Greenpeace nur unzureichend verfolgt. „Das ist nicht nur bei Fleisch so“, fügt der Greenpeace-Chemieexperte Manfred Krautter hinzu.

Die Umweltorganisation hatte 2005 festgestellt, dass 3,5 Prozent des von ihr untersuchten Supermarktgemüses akut gesundheitsgefährdend waren. „Daraufhin haben wir in 45 Fällen Anzeige erstattet“, sagt Krautter. Die Bilanz nach mehreren Monaten: es wurde gerade einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. TARIK AHMIA