Familienclub baut Tribüne wieder ab

Nur ein paar Minuten Ruhm: Trotz zwischenzeitlicher Führung scheidet der westfälische Kleinstadtverein SC Delbrück aus dem DFB-Pokal aus. Dem Oberligisten bleiben 80.000 Euro und ein Lob von Freiburgs Trainer Volker Finke

DELBRÜCK taz ■ Ein paar Minuten lang sah es so aus, als könnte Ansgar Kuhn berühmt werden. Der 28-jährige Kaufmännische Angestellte ist Mittelfeldspieler beim Fußball-Oberligisten SC Delbrück, und am Samstag stand er kurz davor, ein DFB-Pokal-Held zu werden. Zwei Freistöße hatte Kuhn zwischen der 47. und 50. Minute in den Strafraum des SC Freiburg geschlagen – und plötzlich führte der Außenseiter aus der 30.000-Einwohner-Stadt gegen den Zweitligisten mit 2:1.

In diesen Minuten hatten die vielen ehrenamtlichen Helfer des Provinz-Klubs Sorgen, ob die für 9.000 Euro extra aufgebauten Zusatztribünen der ungewohnten Ekstase unter den DSC-Fans Stand halten würden. 3.500 Zuschauer wollten den ersten DFB-Pokal-Auftritt in der 56-jährigen Geschichte des Vereins (knapp 800 Mitglieder) sehen – bei den Punktspielen verlieren sich im Schnitt 300 Anhänger im Stadion Laumeskamp.

„Ich hatte wirklich das Gefühl, dass wir das Spiel gewinnen können“, träumte auch DSC-Trainer Roger Schmidt – genau 23 Minuten lang. Dann machte der angeschlagene Favorit doch noch kurzen Prozess mit dem Underdog und zwischen der 73. und 77. Minute aus einem 1:2 ein 4:2. Die einzigen Minuten, in denen der Klassenunterschied dann doch offensichtlich wurde.

„Wir waren so nah dran“, jammerte der verhinderte Pokal-Held Ansgar Kuhn. Und trotzdem waren die Delbrücker nach dem Schlusspfiff mächtig stolz auf ihre Kicker. Minutenlanger Applaus war der Lohn. Und noch in ihren durchgeschwitzten Trikots kreisförmig auf dem Rasen sitzend, hörten die DSC-Spieler ganz genau hin, als Freiburgs Trainer Volker Finke bei der improvisierten Pressekonferenz auf der Aschenbahn ins Schwärmen geriet: „Die tolle familiäre Atmosphäre hier und die Art und Weise, wie die Delbrücker heute gespielt haben, hat mich sehr stark an meine Anfänge als Trainer beim TSV Havelse erinnert.“ Vor 16 Jahren hatte Finke den Klub aus dem 6.000-Seelen-Ort in Niedersachsen bis in die 2. Bundesliga geführt, ehe er dann zum SC Freiburg wechselte.

Solche Aufstiegs-Ambitionen hat der SC Delbrück nicht. „Das war der wichtigste Tag unserer Vereinsgeschichte“, freute sich Geschäftsführer Dirk Brökelmann zwar über die verhältnismäßig gigantische Einnahme von etwa 80.000 Euro, „aber wir heben jetzt nicht ab. Wir wollen ein etablierter Oberligist werden und uns die familiäre Atmosphäre bewahren.“ Im von vielen eifrigen Händen hergerichteten V.I.P-Bereich vor dem frisch eingeweihten neuen Vereinsheim feierte der SC Delbrück dann noch eine lange schwarz-weiße Pokalnacht. Heute beginnt er dann wieder, der Delbrücker Oberliga-Alltag – die Zusatztribünen müssen abgebaut werden. THORSTEN HEGGEN