Der gefühlte Gottesstaat
: KOMMENTAR VON STEFAN KUZMANY

Nein, seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. ist am vergangenen Samstag nicht zu einer Deutschlandvisite eingetroffen. Es handelt sich vielmehr und ausschließlich um einen Bayernbesuch – daran ändern auch Treffen mit Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel nichts.

Die Boulevardschlagzeile „Wir sind Papst“ ist nach der überraschenden Wahl Joseph Ratzingers zum geflügelten Wort geworden. Richtiger gewesen wäre: „Mir san Papst“. Denn der Papst kommt aus Bayern, jetzt kehrt er heim nach Bayern. Dorthin gehört er so sehr wie nirgendwohin sonst auf der Welt.

Die Herkunft des Papstes ist nur ein Zufall, macht aber eine weit darüber hinausgehende Verbindung augenfällig: Die katholische Kirche und das bayerische Staatswesen sind auch im 21. Jahrhundert noch immer symbiotisch miteinander verbunden. Eine Trennung von Staat und Kirche gibt es in Bayern zwar juristisch, nicht aber in der Mentalität.

Man kann für diese Feststellung die jüngere Vergangenheit bemühen – den gemeinsamen Kampf von Staatskirche (katholisch) und Staatspartei (christsozial) gegen die Abtreibung oder für die Kruzifixe in den Klassenzimmern, deren angedrohte Abschaffung in Bayern zu einer Volkserhebung führte wie sonst nur die von dahergelaufenen Zugereisten betriebene frühere Sperrstunde für Biergärten.

Doch unabhängig von diesen großen Überschneidungen in politischen Fragen verbindet katholische Kirche und CSU vor allem eines: ihr Selbstverständnis. Beide halten sich für gottbefohlene und unfehlbare Sachwalter des irdischen Lebens. Und diese Weltsicht, auch das verbindet, ist von der Realität nicht zu erschüttern: Da mögen Abertausende an Aids sterben – die katholische Kirche will dennoch nicht akzeptieren, dass es außerehelichen Sex gibt und Menschen sich dabei mit Kondomen schützen sollten. Da mag das Gammelfleisch tonnenweise in bayerischen Kühlhäusern vor sich hin rotten – „Bayern ist stärker als je zuvor!“, verkündete Edmund Stoiber prompt.

Gemeinsam reden sich CSU und katholische Kirche ihr Weltbild schön. „Wer glaubt, ist nie allein“, lautet das Motto des Papstbesuchs. Stimmt. Auch richtig: „Wer’s glaubt, wird selig.“