Streik in der Pflege
: Ein Riss geht durch die Klinik

Chirurg und Krankenschwester arbeiten am OP-Tisch in der Charité Hand in Hand, tun dies aber auf höchst unterschiedlicher arbeitsrechtlicher Basis. Der, der mit dem Skalpell schneidet, arbeitet mit einem gültigen Tarifvertrag in der Tasche. Die, die es ihm anreicht, nicht. Heute treten Krankenschwestern und Pfleger in den Streik, um das zu ändern – und ihr Anliegen ist mehr als unterstützenswert.

Kommentar von ULRICH SCHULTE

Wenn man Verantwortung der Entlohnung gegenüberstellt, ist ihr Job einer der unterbewertetsten überhaupt. Die Schwestern schieben Nacht- und Wochenenddienste, ihr Alltag zeichnet sich durch harte körperliche Arbeit und psychischen Stress aus. Nicht zuletzt treffen sie weit gehende Entscheidungen bei der Beurteilung von Patienten, weil sie durch den ständigen Umgang oft mehr über die Kranken wissen als der überlastete Stationsarzt, der zur Visite hereinschaut.

All das tun Krankenschwestern und -pfleger für ein Gehalt, für das der Arzt nicht mal seinen Kittel anziehen würde. Die Ärzte haben sich im Frühjahr öffentlichkeitswirksam bessere Löhne und Dienstzeiten erkämpft. Will der Charité-Vorstand nicht den Riss zwischen Privilegierten und weniger Privilegierten in der Klinik vertiefen, muss er auch die Forderung der PflegerInnen anerkennen. Und der rot-rote Senat sollte sie unterstützen, will er glaubwürdig bleiben. Denn nicht nur im Wahlkampf betonen SPD und PDS unisono, wie wichtig die „Wachstumsbranche Gesundheitswirtschaft“ für die Stadt ist. Dass ausgerechnet die Charité, der Leuchtturm der Wachstumsbranche, vom fast überall im Land geltenden Tarifwerk ausgeschlossen bleiben soll, ist schlicht nicht vermittelbar.