„Es fördert die Abhängigkeit vom Ehepartner“

Erstmals stellt die deutsche Familienpolitik den Vorrang der Versorgerehe in Frage, sagt die Juristin Sabine Berghahn. Darum gehört auch das Ehegattensplitting abgeschafft. Denn damit wird alleine die Einverdienerehe subventioniert

taz: Die Regierung bekennt sich mit dem Elterngeld erstmals zur berufstätigen Mutter. Zugleich versucht das konservative Feuilleton plus Eva Herman, die Frauen zurück zum Herd zu beordern. Was ist da los, Frau Berghahn?

Sabine Berghahn: Da bricht etwas auf. Erstmals wird auch in den Reihen der CDU die berufstätige Mutter anerkannt. Dass das konservative Feuilleton da erst mal Sturm läuft, ist doch klar. Leider sitzen an den maßgeblichen Positionen in Politik und Medien eben oft noch Männer, die das Versorgermodell leben und etwa vom Ehegattensplitting profitieren. Deshalb sind die Beharrungskräfte da besonders stark.

Sogar das Ehegattensplitting steht mittlerweile zur Debatte. Wie wirkt das auf eine Wissenschaftlerin, die es seit Olims Zeiten abschaffen will?

Solche Umschläge ereignen sich, wenn neue Argumente zur Debatte stoßen: Dass weitere Kreise nun die Versorgerehe in Frage stellen, liegt daran, dass zu wenig Kinder geboren werden. Dann muss man wohl oder übel mal die Wünsche der Frauen ernst nehmen, denn zum Gebären kann man sie nicht zwingen.

Ist das Elterngeld also der Einstieg in den Ausstieg aus der Versorgerehe?

Ja. Denn damit das Elterngeld etwas an der demografischen Misere ändern kann, müssen weitere Schritte folgen. Wenn die Mütter nach dem Jahr zu Hause wieder keinen guten Job finden, dann werden Frauen mangels Perspektive weiter auf das Muttersein verzichten. Also muss eine ernsthafte Erwerbsintegration stattfinden. Wir brauchen etwa ein Gesetz für die Privatwirtschaft, damit die Diskriminierung der Frauen im Arbeitsleben aufhört.

Warum wird so etwas nicht gefordert? Weil Frauen nur noch als Mütter der Politik als Zielgruppe dienen?

Es kommt darauf an, ob man die Zusammenhänge mit der Gleichstellungspolitik aufzeigen kann. Denn die jungen Frauen gehen ja mit einem egalitären Bewusstsein an ihre Partnerbeziehung, und wenn sie das nicht leben können, werden sie gar nicht erst Mütter. Deshalb muss das Ehegattensplitting weg. Das Ehegattensplitting ist die Belohnung dafür, dass Ehepartner unterhaltspflichtig sind. Aber strukturell hält es die Frauen von den Männern in Abhängigkeit, weil es ein Anreiz ist, als Frau wenig zu verdienen.

Also müsste man auch die gegenseitige Unterhaltspflicht abschaffen?

Ja, vor allem, dass sie Vorrang hat, bevor die soziale Sicherung greift. Das ist etwa beim Arbeitslosengeld II problematisch: Da greift zuerst die Einstandspflicht des Partners und dann erst das ALG II. Das ist eine mittelbare Diskriminierung von Frauen: Weil der Partner Geld hat, fallen sie aus der sozialen Sicherung heraus.

Ein Politiker würde nun sagen: Die Frauen haben es doch gut, weil sie vom Partner mitversorgt werden.

Die Partner teilen aber nicht getreulich ihr Einkommen, sondern sie spielen oft ihre Macht aus. Das ist keine gleichberechtigte Beziehung mehr. Und das heißt, die Frau ist kein Staatsbürger mit eigener Existenzsicherung, sondern gerät in eine Abhängigkeit, die quasi aus dem letzten Jahrhundert stammt. In unserem Forschungsprojekt haben wir das sehr oft von Frauen gehört und auch die Männer finden so eine Situation unmöglich.

Mit solchen Argumenten sind die Frauen bisher nicht durchgedrungen. Woran hängen Sie Ihre Hoffnung?

Wir haben Artikel 3 im Grundgesetz: Das Verfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass der Staat die Gleichstellung durchsetzen muss und dabei auch auf mittelbare, also strukturelle Diskriminierung achten muss.

Aber auch die Einstandspflicht wird mit dem Grundgesetz begründet: mit dem Schutz der Ehe in Artikel 6.

Aber Artikel 6 hat keine natürliche Priorität vor Artikel 3. Es ist nur so: Das Ehegattensplitting ist der letzte Vorteil, den die Ehe noch gewährt. Deshalb halten die Konservativen mit Klauen und Zähnen daran fest.

Ohne Ehegattensplitting wäre der „Schutz der Ehe“ also wirklich perdu?

Na ja. Der Witz am Ehegattensplitting ist ja, dass damit nur eine Sorte Ehe subventioniert wird. Die Zweiverdiener und alle Ledigen kommen für die Einverdienerehe auf. Da stellt sich der Normalbürger, auch der männlichen Geschlechts, die Frage, ob das Sinn hat. Die Familie wird damit jedenfalls nicht mehr sehr zielgenau unterstützt. Und wenn man so knapp bei Kasse ist, wie der Staat heute, dann muss man schon Schwerpunkte setzen.

Wie groß ist die Chance, dass solche Folgeaufträge der Familienpolitik den Status der Frauen wirklich ändern?

Das kommt darauf an. Wenn der Staat die Lebensrisiken immer weiter individualisiert, kann er die Abhängigkeiten innerhalb der Ehe dabei nicht immer aussparen. Denn die Ehe sichert die Frauen ja spätestens mit einer Scheidung nicht mehr ab. Wenn man soziale Standards abbaut, muss man das Individuum gleichzeitig ermächtigen, für sich selbst zu sorgen. Ehefrauen, die nicht oder wenig erwerbstätig sind, sind davon bisher quasi ausgeschlossen.