Von Nazi-Emanzen und rechten Karrierefrauen

Zu Unrecht gelten rechte Frauen vor allem als Mitläuferinnen. Immer mehr sind politisch aktiv. Und längst existieren vielfältige Rollenbilder

BERLIN taz ■ Sie ist die Frau an seiner Seite, blondbezopft und fügsam. In die Szene gelangt sie über den Freund oder Ehemann. In freien Stunden backt sie Kuchen für den Kameradschaftsabend. So weit das Klischee der Frau in rechtsextremen Kreisen, das allenfalls noch um ein zweites Stereotyp ergänzt wird: die Skinfrau, hart und gewaltaffin.

Die Realität aber ist vielfältiger. „Wir finden in der rechten Szene alle Rollenbilder, die es auch sonst in der Gesellschaft gibt – vom Heimchen am Herd bis zur Karrierefrau“, sagt die Sozialwissenschaftlerin Michaela Köttig, die die Lebenswege rechter Frauen erforscht.

Im öffentlichen Bewusstsein aber ist diese Vielfalt kaum präsent. „Den meisten ist gar nicht bewusst, wie viele rechte Frauen politische Akteure sind“, sagt Köttig. Das Harmlose-Frau-Klischee komme der Szene nicht ungelegen, so die Forscherin. Frauen würden vorgeschickt, um Räume anzumieten, Demos anzumelden oder Kredite aufzunehmen. Und ihr Mädchen-Image hilft beim Anliegen, die Restgesellschaft zu unterwandern: „Es gibt eine neue Stategie von Frauen in der rechten Szene“, sagt Köttig. „Sie wollen die nächste Generation formen. Deshalb werden sie Erzieherinnen oder Lehrerinnen. Sie studieren Geschichte, um an der Uni zu lehren. Oder sie werden Juristinnen, um rechte Straftäter zu verteidigen.“

Laut einer Studie der Pädagoginnen Kirsten Döhring und Renate Feldmann ist zwar der Frauenanteil in den rechtsextremen Parteien nach wie vor gering. Rechte Gruppen und Cliquen aber bestehen zu einem Viertel bis einem Drittel aus Frauen – Tendenz steigend.

Ideologisch dominiert dabei zwar nach wie vor das Hausfrau-Mutter-Ideal. Die „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ etwa, eine der größeren Organisationen, lädt zum „Mutterfrühstück“, informiert über „germanische Medizin“ und gibt die „Zwergenpost“ heraus. Doch daneben finden sich eben auch Frauen, die eine aktivere Rolle in der Gesellschaft einfordern. Frauen betreiben rechte Versandhäuser und singen in rechten Bands. Sie wollen nicht nur mitmarschieren, sondern auch mitentscheiden. Vermehrt organisieren sie sich in eigenen Frauengruppen, die laut Döhring und Feldmann eine Zweifachstrategie verfolgen: Sie sollen mehr Frauen für die rechte Szene gewinnen – und gleichzeitig nach außen hin das Image eines „weiblichen“, friedfertigen Rechtsextremismus vermitteln.

Dabei finden sich durchaus Berührungspunkte zu anderen Szenen. Rechte Frauen engagieren sich für Biokost und fachsimpeln über Bachblüten oder die Heilkräfte der Natur. Im Sprachduktus ultrareligiöser Gruppen verdammen sie Pille und Kondom. Und manches rechte Lob der Hausfrauentugenden liest sich auch nicht viel anders als die Plädoyers der Fernsehmoderatorin Eva Herman.

Das Frauenbild der rechten Szene ist dabei durchaus widersprüchlich. Einerseits dominiert das Leitbild der „gleichwertigen, aber nicht gleichartigen Frau“. Andererseits kämpfen rechtsextreme Frauen darum, als gleichgestellte Kameradinnen anerkannt zu werden. Und so gerne das Dritte Reich glorifiziert wird – selbst Neonazi-Frauen räumen ein: Zu der damaligen Zeit, mit einem derart übersteigerten Muttermythos, hätte ich nicht Frau sein wollen.

So ist es nur folgerichtig, dass die rechte Klientel derzeit in Internetforen sogar über einen „nationalen Feminismus“ diskutiert. Zwar bleibt vage, was genau damit – über Hilfe für geprügelte Frauen und Kritik an Sexismen innerhalb der Szene hinaus – gemeint sein soll. Deutlich aber wird der Wunsch, mit einem frauengerechten Angebot die weibliche Klientel stärker zu politisieren – schon damit sie die Kinder im passenden Bewusstsein erzieht.

Je stärker sich aber die Szene ausdifferenziert, umso gefährlicher wird sie, meint Köttig: „Dass die Szene für Frauen attraktiver wird, führt zu einer Stabilisierung. Die Männer können innerhalb der rechten Gruppen eine Freundin finden und heiraten.“ Solange es an gleichgesinnten Frauen mangelt, bleiben rechte Aktivitäten für viele nur eine Jungmänner-Phase. Die Partnerin will vielleicht lieber ein Picknick machen, als zur Demo zu fahren. Sie fühlt sich fremd in der männerdominierten rechten Kultur. So zieht auch der Mann sich nach und nach aus der Szene zurück. Wenn sich aber immer mehr Frauen in rechtsextremen Kreisen wohl fühlen, bleibt auch der Mann dabei. Aus dem Lebensabschnitt wird ein Lebensprojekt. Schon das Kleinkind wird mit Sagenbüchern und rechtem Liedgut auf völkisches Bewusstsein getrimmt. Der Boom rechter Frauengruppen wäre dann weit mehr als ein PR-Gag. Er würde es Nazi-Strategen erleichtern, Menschen von der Wiege bis zur Bahre in einer rechtsextremen Parallelwelt zu halten. COSIMA SCHMITT