Sonne, Mond, die Sterne und wir

Im September vor 40 Jahren gingen fast zeitgleich zwei Science-Fiction-Serien auf Sendung, die den Aufbruch ins All als Eroberung der Zukunft zelebrierten – „Star Trek“ auf amerikanische, „Raumpatrouille Orion“ auf deutsche Weise. Viel mitgebracht von ihren Expeditionen haben sie uns allerdings beide nicht

von JENNI ZYLKA

Nicht mal für lau will Captain James Tiberius Kirk in den Weltraum. Dass William Shatner, der zwischenzeitlich rustikal aufgeschwemmte 75-jährige Darsteller des Kapitäns auf dem „Raumschiff Enterprise“, kürzlich das Gratisangebot einer durchgeknallten, aber durchaus betuchten Fluggesellschaft abschlug, die ihn mit einem noch zu bauenden Raumschiff auf einen eigentlich 200.000 Dollar teuren Urlaubstrip ins All schicken wollte, macht nicht gerade Mut: Wenn schon ein altgedienter Pseudo-Astronaut dem Ganzen nicht vertraut, wer dann?

Vielleicht lag es aber auch am Image des großzügigen Reiseplaners: „Virgin Galactic“ ist eines der vielen Unternehmen des britischen Milliardärs Richard Branson, der sein Geld mit der Entdeckung von Mike Oldfield machte.

Auf das Vermögen, das er mit dessen unseligem, bei „Virgin Records“ erschienenem Album „Tubular Bells“ verdiente, stützte Branson die Realisierung seiner Fantasien. Er eröffnete Flug- und Zuggesellschaften, Radiosender, Nachtclubs und Buchhandlungen, fuhr mit einem Schnellboot über den Atlantik und versuchte, aus reiner Bonzenzeitvertreibsgaudi, die Welt mit einem Heißluftballon zu umrunden. Zusammen mit dem US-Raumfahrtingenieur Burt Rutan gründete Branson 2005 die Firma „Virgin Galactic“, deren zweiter Geldgeber einer der beiden Microsoft-Gründer Paul G. Allen ist. Doch die Ziele von „Virgin Galactic“ sind bescheiden, verglichen mit William Shatners besseren Zeiten, vor genau 40 Jahren nämlich.

Als die „Enterprise“ im September 1966 das erste Mal in den USA auf Sendung ging, hielten ihre Macher sich für Spitzenvisionäre: Jahrelanges Raumfahren ohne aufzutanken (durch Techniken wie den ominösen Warp-Antrieb) wurden für die Sechzigerjahre des 23. Jahrhunderts, die Zeit, in der die Geschichten spielten, vorausgesetzt, außerdem hoffte man auf regelmäßige Außerirdischen-Kontakte und hatte sich – zumindest in den ersten Folgen – mit einer (selbstverständlich nicht führungsberechtigten) Frau als ständige Brückenbesetzung schon fast aktuellen Quotenverhältnissen angenähert.

Auch Deutschland glaubte an eine schnelle Entwicklung im All: Ebenfalls im September vor 40 Jahren ging die „Orion“ erstmals auf „Raumpatrouille“ im deutschen Fernsehen, um den Frogs per Overkill den Garaus zu machen. Und im Jahr 3000, in dem die Abenteuer um den aufmüpfigen Major Cliff Allister McLane (Dietmar Schönherr) angesiedelt waren, hat sich die Frauenquote immerhin schon verdoppelt.

In den Vorspännen der Serien wird die rührende Zukunftshoffnung der Autoren deutlich: Die „Enterprise“ soll neue Welten und fremdes Leben entdecken, beim „Raumschiff Orion“ verweist man stolz auf die Besiedlung von fernen Sternen und des Meeresbodens und auf die „unvorstellbaren Geschwindigkeiten“, mit denen „Raumschiffe unser Milchstraßensystem durcheilen“.

Doch während die „Enterprise“ mit dem wichtigen Ersten Offizier Mr. Spock sogar bereits einen Außerirdischen – einen Vulkanier – an Bord ertrug, tat sich die Besatzung der „Orion“ noch immer schwer mit dem friedlichen Zusammenleben: Die Frogs, zitternd-diffuse Lichtflecke, die als feindliche Schiffe diagnostiziert wurden, galt es radikal zu erledigen.

Als Spiegelung der Verhältnisse, die Fernsehserien immer sind, hatte man weiland auch das Fremde kreiert: Die Vulkanier als überintelligente Vernunftswesen, denen jedoch das Emotionale, Unlogische der Menschen fehlt, was den latenten Rassismus der Zeit – trotz Quotenschwarzer – subtil vermittelte. Richtig wissen, wo’s langgeht da oben, tun eigentlich nur die überlegenen Menschen, sprich: Die Amerikaner.

Die Klingonen wurden zudem als aggressive, kampfbereite und trinkfeste Gesellen dargestellt, die als Gegenspieler der Menschen die unsichere Beziehung der Amerikaner zu den Russen auf den Bildschirm bringen sollten.

Aus Geldmangel für die angemessene Maske traten die ersten Klingonen in den 79 originalen „Star Trek“-Folgen allerdings als recht menschlich anmutende, nur durch Bärte, wuschige Augenbrauen und aufbrausendes Temperament charakterisierte Sauerköpfe auf, in zwei Folgen kabbelte man sich auch mit den Romulanern, eine einfacher zu schminkende, aber nicht ganz so sanftmütige Abart der Vulkanier.

Als die Klingonen in der „Enterprise“- Nachfolgeserie „The Next Generation“ ab 1987 wieder eingesetzt wurden, hatte man zwar ihr Erscheinungsbild inklusive Sprache und Verhalten in einer reizend-kindischen Weise westlichen Vorurteilen über die Mongolen angepasst, aber dafür war der kalte Krieg fast vorüber. Man musste also mit den grölenden Haudegen leben, holte sich einen als Sicherheitschef auf die Brücke und ließ sie oft und gern als Randale-Joker mit schlechten Manieren und allzeit bereiter Prügellaune auftauchen.

Außer dem der reinen Fantasie entspringenden Umgang mit Außerirdischen zeigen die alten Serien vor allem den naiven, unerschütterlichen Glauben an die Technik und an die absolute Notwendigkeit der bemannten Raumfahrt: Auch in allen wissenschaftlichen Publikationen und sogar in den hübschen „Was ist was“-Erklärbüchern der Zeit wird davon ausgegangen, dass der erste bemannte Flug zum Mond – der übrigens auch die bis dato eher schlecht frequentierte „Enterprise“-Serie erst zum Quotenhit machte – der Anfang einer Besiedelung, also eines In-Beschlag-Nehmens des Raumes werden sollte. Kolonien auf fremden Planeten und Monden, jede Menge Raumstationen und blühender All-Tourismus sollten an der Tagesordnung sein, sodass der erste Kontakt der dritten Art unweigerlich bald folgen würde.

Nur dem starken Effekt der Science-Fiction-Unterhaltung und der damals relativ guten Vermarktung der Mondlandung ist es zu verdanken, dass sich die moderne Raumfahrt, für die westliche Welt also Nasa und ESA, noch heute ein wenig auf der Endmöräne dieses Hochs ausruhen kann. Denn wirklich spektakulär im Sinne von opportun und aufregend sind die All-Nachrichten der letzten Zeit, ungefähr 40 Jahre nach den Anfängen, alle nicht, im Gegenteil.

Ist es nicht eher peinlich, dass die Nasa 700 Kisten mit Videomaterial zur ersten Mondlandung mal eben verbummelt hat? Muss man nicht schlucken, wenn die pikanterweise „Smart 1“ genannte, über 100 Millionen Euro teure erste europäische Mondsonde „planmäßig“ und mit großem Bohei auf der Mondoberfläche zerschellt, nachdem sie Daten über, gähn, Mondmineralien gesammelt und einen neuen Antrieb getestet hat?

Und ist jener Urlaubstrip ins All, der 2008 mit dem „Space Ship Two“ der „Virgin Galactic“ stattfinden soll, mit seinen paar Minuten Dauer, von denen höchstens sechs Minuten in der Schwerelosigkeit verbracht werden und dessen Rückflug eher als recht blamabler „Rücksturz“ verstanden werden muss, nicht ein ziemlich unbefriedigendes All-Abenteuer? Zumal das Raumschiff nicht höher als 100 Kilometer über die Erdoberfläche sausen darf, wo zwar rein rechnerisch der Weltraum anfängt, aber de facto noch gar nichts los ist: Bei einem solchen „suborbitalen Flug“ tritt das Fluggerät nicht mal in eine Umlaufbahn ein, sondern schwirrt quasi nur ein gehöriges Stück über den Mallorcabombern. Dazu kommt noch, dass das „Space Ship Two“ statt mit Warp-Antrieb, „Hyperspace plus Schlafender“ oder ähnlich schön klingendem Quatsch ausgerechnet mit einer neuen Treibstoffmischung aus Gummi und Lachgas losrattern soll – fast so unsexy wie Bio-Diesel.

Doch irgendwie ist es sympathisch, dass ein so abgrundtief teurer und eigentlich ausschließlich Sachkundigen vorbehaltener Sektor wie Raumfahrt eine so dankbare Fangemeinde sein Eigen nennt. Selbst ernannte RaumfahrtexpertInnen, Trekkies, „Orion“-, „Mondbasis Alpha 1“- und „Star Wars“-FreundInnen gibt es in jeder Altersstufe, sie sind treu wie Beatles-Fans, tolerant wie Stones-Fans und dickhäutig wie Michael-Jackson-Fans.

Sie feiern jedes für einen Laien kaum erkennbare neue Bild eines weit entfernten und auch noch längst erloschenen Weltraumnebels wie eine frisch gebackene Schwangere ihr erstes Embryo-Ultraschallkuddelmuddel, und sie winken die hohen Betriebskosten der immer noch nicht fertig gestellten Raumstationen lächelnd durch. Weltraum-Fan sein, das heißt eben auch nach 40 Jahren noch: eine blühende und wunderbare Fantasie haben.