„Jeder Abgeordnete ist ein Zünglein an der Waage“

Rot-Grün ist noch lange nicht ausgemacht, sagt Dirk Behrendt, Kreuzberger Direktabgeordneter der Grünen im neuen Abgeordnetenhaus

taz: Herr Behrendt, wird es einen rot-grünen Senat geben?

Dirk Behrendt: Das ist möglich. Ich kann aber schlecht die Ergebnisse voraussehen, bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen haben.

Die Grünen-Spitze umgarnt den Regierenden Bürgermeister bereits eifrig. Ist Rot-Grün bei Ihnen parteiintern noch nicht ausgemacht?

Wir sind zur Wahl angetreten, um Regierungsverantwortung zu übernehmen. Zugleich haben wir ein grünes Programm aufgestellt. Im Gespräch mit der SPD werden wir sehen, was von diesem grünen Programm umsetzbar ist. Erst dann werden wir befinden, ob es für eine tragfähige Regierung ausreicht.

Sie und die ebenfalls direkt gewählte Heidi Kosche in Kreuzberg gehören zum linken Flügel der Grünen. Für eine rot-grüne Mehrheit sind Sie das Zünglein an der Waage. Wie werden Sie diese Position nutzen?

Jeder einzelne Abgeordnete von uns ist ein Zünglein an der Waage. Zugleich ist aber auch klar, dass wir für eine Fortsetzung der bisherigen rot-roten Politik nicht zur Verfügung stehen, bei der nur das Regierungspersonal von Rot zu Grün wechselt. Das muss auch unserer Parteiführung deutlich gesagt werden: Wenn unsere künftige Fraktionsvorsitzende in diesen Tagen verkündet, dass weitere Verkäufe von Wohnungsbaugenossenschaften anstehen, dann wird das ganz sicher auf unseren Widerstand stoßen.

Wie sieht Ihr Forderungskatalog aus?

Wir lehnen Studiengebühren ab. Die BVG-Preise müssen sinken. Und die Abwärtsspirale der Innenstadtviertel wie in Moabit, Neukölln und Teilen Kreuzbergs muss ebenfalls ein Ende haben. Das ist zwar allgemein rot-grüne Position. Aber es müssen auch mal Gelder fließen, damit in diesen Vierteln was passiert.

Sie würden die Option einer grünen Regierungsbeteiligung aufs Spiel setzen?

Wir sind von unseren Wählern in Kreuzberg-Friedrichshain ins Abgeordnetenhaus geschickt worden, um eine bestimmte Politik zu machen. Wenn diese Politik nicht gemacht werden kann, werden wir auch keinen Regierungschef wählen.

Befürchten Sie keinen Druck von der Fraktionsspitze?

Es gibt zwar die Erwartung, dass wir im Abgeordnetenhaus einheitlich abstimmen. Doch haben Direktkandidaten natürlich eine andere Verankerung in den Wahlkreisen als die Listenkandidaten. Wir sind ein bisschen unabhängiger von der Partei. Zudem werden wir Kreuzberg-Friedrichshainer Grünen im Landesverband allein schon deshalb mehr Gewicht haben, weil neben der drei direkt gewählten Abgeordneten zusätzlich noch zwei über die Liste gewählt sind. Wir hoffen, dass die uns wichtigen Themen von allen in der Partei hinreichend beachtet werden. Sonst wird es ein schwieriger Koalitionsbildungsprozess – auch parteiintern.

Wie weit würden Sie gehen?

Klaus Wowereit braucht eine Mehrheit der Stimmen im Abgeordnetenhaus. Die muss er erst mal bekommen. Wir würden uns freuen, Herrn Wowereit demnächst persönlich im Grünen-Büro in der Dresdner Straße begrüßen zu dürfen und mit ihm über die konkreten Probleme in Kreuzberg und Friedrichshain zu reden. INTERVIEW: FELIX LEE