Entweder nur Arbeit oder nur Gesundheit

Die Entscheidung über den geplanten Ausbau des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens ist eine politische: Nach neuen Gutachten stehen 50.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen 100.000 Neuerkrankungen wegen Lärm und Luftverschmutzung gegenüber

aus Frankfurt am Main Klaus-Peter KLINGELSCHMITT

Den Kampf gegen den Bau der Wartungshalle für den Airbus A 380 haben die Gegner des Ausbaus des Frankfurter Rhein-Main Flughafens verloren. Gestern wurde der Grundstein gelegt. Der Streit um den geplanten Bau der Landebahn Nordwest aber dauert an. Dabei stehen Arbeitsplatzargumente gegen gesundheitliche Effekte. Drei neue Gutachten bereichern die Debatte.

Die ausbauwillige hessische Landesregierung kann sich auf eine Expertise der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) stützen. Darin kommt der Kölner Verkehrswissenschaftler Herbert Baum zu dem Schluss, dass nach dem Ausbau im Jahr 2015 rund 50.000 neue Dauerarbeitsplätze entstehen. In der Bauphase würden weitere 10.000 Menschen temporär beschäftigt. Bislang war die Regierung von 43.000 Arbeitsplätzen ausgegangen, der Flughafenbetreiber Fraport AG von 80.000, inklusive der Beschäftigungseffekte für das Umland von bis zu 100.000 neuen Jobs. Laut Baum handelt es sich vor allem um Arbeit für Höherqualifizierte, aber auch um befristete oder Teilzeitjobs.

Hier haken die Ausbaugegner ein. Schon jetzt verdienten etwa Sicherheitsbedienstete oft nicht genug, um eine Familie zu ernähren, monierte Thomas Jühe (SPD), Bürgermeister der Stadt Raunheim. Seine Sorge: Billigjobs verändern die Sozialstruktur der Anliegergemeinden – wer Lebensqualität sucht und es sich leisten kann, verlässt die Region.

In einem von der Fraktion der Flughafenausbaugegner (FAG) im Frankfurter Stadtparlament bestellten Gutachten weist der Hildesheimer Arbeits- und Umweltmediziner Arved Tietze auf drohende Gesundheitsbeeinträchtigungen für die Anwohner hin. Wegen der zusätzlichen Flüge und der damit verbundenen Lärm- und Schadstoffbelastung seien rund 100.000 neue Erkrankungen in der Region zu erwarten, 40 Prozent davon Bluthochdruckerkrankungen – diese könnten zu 400 Todesfällen nach Herzinfarkten führen. Grundlagen für die Arbeit waren Lärm- und Schadstoffprognosen der Fraport AG.

Ein ebenfalls von der HBS vorgelegtes Gutachten des Darmstädter Juristen Martin Führ zur Qualität der bereits vorliegenden Gutachten lässt sich von keiner Seite ausschlachten. Führ kam zu dem Schluss, dass der Ausbau „politisch und juristisch entschieden“ werden müsse.

Das wiederum liegt letztlich beim hessischen Wirtschaftsminister. Und beim Landtag. CDU und FDP sind für den Ausbau, die SPD „im Prinzip“ auch, wie ihr Fraktionschef Jürgen Walter erklärt. Landesparteichefin Andrea Ypsilanti hält die Frage für „noch offen“. Sollte das geplante Nachtflugverbot auf Druck der Lufthansa AG hin relativiert werden, wird sich die SPD wohl auf die Seite der Ausbaugegner schlagen. Denen stehen aktuell nur die Grünen bei. Die Union verfügt im Landtag jedoch noch wenigstens bis zur Landtagswahl 2008 über eine absolute Mehrheit. Bis zur Sommerpause 2007 will Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Abstimmung hinter sich gebracht haben.