rasen am schlossplatz
: Zur Sprechstunde bei Dr. Ingeborg

Berlin ist hip, Berlin ist sexy, wir sind Berlin. Zwischen Fußball-WM und Abgeordnetenhauswahl konnte man der Selbstbeweihräucherung kaum entfliehen, aber das musste man ja auch nicht. Ist ja schließlich auch was dran, oder? Nun aber ist Berlin wieder auf dem Teppich gelandet. Dort, wo derzeit die Ruine des Palastes der Republik weggenagt wird, soll tatsächlich Rasen hin. Wer’s nicht glaubt, dem sei’s nochmal buchstabiert: Er, A, ES, E, EN – Rasen.

Kommentar von UWE RADA

Wenn das der Beitrag von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) zu Rot-Grün ist, hätte sie sich ihn schenken können. Mutloser geht es nicht, vor allem, wenn man sich die Alternativen in Erinnerung ruft. Zuletzt hatte das Kunstmagazin Monopol eine temporäre Kunsthalle ins Spiel gebracht – und dabei viel Zustimmung gefunden. Aber auch kontemplativere Ideen gab es, wie den Entwurf mit dem Titel „Dormanz“, der beim taz-Wettbewerb die Nase vorn hatte. Und schließlich reichte die Architektengruppe „Urban Catalyst“ eine Arbeit ein, die das Fundament des Palastes nicht besamen will, sondern als Herausforderung begreift.

Aber nix da. Ingeborg Junge-Reyer wollte eine Wiese, und eine Wiese hat sie bekommen. Einer der aufregendsten Orte der Stadt wird nun grün. Das ist, als ob ein Arzt zur Identitätssuche Psychopharmaka, Sedativa, Schlafmittel und Ritalin gleichzeitig verordnete. Arzneimittelmissbrauch ist das. Pfui. Da kann man nur hoffen, dass die Therapeutin noch lange Senatorin bleibt und für die Folgeschäden persönlich verantwortlich gemacht werden kann. Oder aber man entzieht Dr. Junge-Reyer die Approbation und macht den Rasen zum Gegenstand von Koalitionsverhandlungen. Schließlich soll Berlin doch auch noch in Zukunft hip und sexy sein, oder?