Moscheen öffnen sich

Muslimische Gemeinden beteiligen sich immer stärker am Stadtleben – dieses positive Fazit zieht eine Studie des Integrationsbeauftragten. Viele Konfliktpunkte bleiben jedoch ausgeklammert

VON ALKE WIERTH

Bessere Deutschkenntnisse, mehr Kontakte zur Nachbarschaft, stärkere Beteiligung am Leben in der Stadt – so positiv sieht die Bilanz einer Studie aus, die die Situation islamischer Gemeinden in Berlin durchleuchtet. Mit Fragebögen und Einzelgesprächen untersuchten zwei Wissenschaftlerinnen der Humboldt-Universität, wie sich die insgesamt 80 Moscheen und Moscheevereine m Stadtleben verorten. Die vom Senatsbeauftragten für Integration und Migration, Günter Piening, getragene Studie ist die Fortschreibung einer Untersuchung von 1998, die damals zum ersten Mal einen intensiven Blick auf das muslimische Gemeindeleben in Berlin geworfen hat.

Die Entwicklung, die das islamische Gemeindeleben in Berlin seither genommen hat, beurteilen der Integrationsbeauftragte und die zwei HU-Expertinnen durchweg positiv: „Der Islam ist deutscher geworden“, sagt die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus, eine der Verfasserinnen der Studie. Gemeint sei damit vor allem, dass das zumeist ehrenamtlich tätige Personal der Gemeinden zunehmend aus jüngeren, hier aufgewachsenen MuslimInnen mit guten Deutschkenntnissen bestehe. Dies ermögliche eine wachsende Anteilnahme muslimischer Gemeinden am Leben im Kiez, an Runden Tischen oder an interreligiösen Dialogforen. Muslime seien zu „städtischen Akteuren“ geworden, so die Autorinnen.

76 Moscheen, drei weitere Räume „für religiöse Handlungen“ und ein alevitisches Gotteshaus haben die Autorinnen in Berlin gezählt. Bis auf eine davon liegen alle im alten Westberlin. Cirka die Hälfte sind in landes- oder bundesweiten Dachverbänden organisiert. Aktiv sind dort vor allem die Vereine türkischstämmiger Muslime: Sie bilden mit der Islamischen Föderation, dem Verband islamischer Kulturzentren oder der Türkisch-islamischen Union Ditib die größten Zusammenschlüsse. Moscheen arabischstämmiger Muslime seien hingegen bislang kaum in Dachverbänden organisiert, so Spielhaus. Über die Offenheit von Moscheen sage dies aber nichts aus: „Die hängt oft stark von einzelnen Personen ab.“ Nur zwei Moscheevereine hatten sich nach Spielhaus’ Auskunft geweigert, an der Studie teilzunehmen.

Die Studie klammere einen Teil der Realität aus, da sie allein das Selbstbild der Moscheevereine wiedergebe, sagen Kritiker. „Wie ehrlich Dialog tatsächlich geführt wird, welche religiösen oder politischen Ideologien manche Organisation wirklich verfolgt“ – das bleibe ausgeklammert, kritisiert Claudia Dantschke, selbst Autorin einer Studie über „demokratiefeindliche Tendenzen“ unter anderem bei islamischen Organisationen. Der Integrationsbeauftragte Piening weist diese Kritik zurück. Man habe herausfinden wollen, wo sich muslimische Gemeinden heute selbst einordnen. Bewertungen würden „an anderer Stelle“ vorgenommen.