„Mit den USA ist es 2020 vorbei“

Der „Atlas der Globalisierung“ wurde vorgestellt – mit einer Debatte über den Nahen Osten

Wie stellt man einen neu erschienenen Atlas vor? Bestimmt wäre es diese Woche in den Sophiensälen in Berlin nicht sehr lebendig zugegangen, wenn aus dem „Atlas der Globalisierung“ von Le Monde diplomatique eine Doppelseite, zum Beispiel die über den „Freihandel in der Krise“, vorgelesen worden wäre. Auch wurde von strengeren Formen des Geografieunterrichts Abstand genommen – man hätte vielleicht miteinander üben können, auf Europakarten die Außengrenzen des so genannten Schengenraums einzuzeichnen, bis sie richtig sitzen.

Stattdessen sollte an diesem Abend diskutiert werden über ein Thema, das auch im „Atlas der Globalisierung“ breiten Raum einnimmt, auf vielen Karten dargestellt und unter unterschiedlichen Aspekten beleuchtet wird: Über die Perspektiven für den Nahen Osten sprachen Johan Galtung (Friedensforscher aus Oslo), Dominique Vidal (Herausgeber der französischen Originalfassung des Atlas der Globalisierung und Redakteur bei Le Monde diplomatique in Paris), Alia Rayyan (Journalistin und Kulturmanagerin sowie ab Oktober von der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah mit Medien- und Bildungsarbeit betraut).

Die Zuhörer saßen gebannt in den Sophiensälen. Sie werden also kaum überhört haben, was der große alte Friedensforscher Galtung, der für den Nahen Osten seine ganze Hoffnung auf die unter 35-Jährigen setzt – und als Sohn des früheren Bürgermeisters von Oslo jedes Mal ein wenig zusammenzuckt, wenn es heißt, dass „Oslo“ tot sei –, was also Galtung ein wenig nebenher erwähnte: Er habe schon in den 1970er-Jahren gesagt, dass das Sowjetimperium 1990 am Ende sein werde, verlacht hätte man ihn damals dafür – zwei Monate früher als von ihm prognostiziert war es dann doch so weit. Und heute sei er felsenfest überzeugt, dass es mit dem US-Imperium im Jahr 2020 vorbei sein werde – mit allen Konsequenzen für den Nahen Osten. Galtung war an diesem Abend für die Visionen zuständig. Dominique Vidal vertrat die Realität. Alia Rayyan sprach für die Chancen der Kultur.

Im „Atlas der Globalisierung“ steht die verbliebene Supermacht trotz des Desasters im Irak und der wachsenden Unbeliebtheit der USA in der Welt noch einigermaßen unangefochten da. Die tatsächlich Mächtigen mögen schon längst multinationale Konzerne wie der Einzelhandelsriese Wal-Mart oder der Mediengigant Rupert Murdoch sein. Und natürlich lässt sich auch im Atlas nachlesen und auf Karten sehen, dass Lateinamerika politisch und ökonomisch nicht mehr ohne weiteres unter Kontrolle zu halten ist.