UKRAINE: PRÄSIDENT ÜBERLÄSST DEN WAHLFÄLSCHERN VON 2004 DAS FELD
: Orange ist endgültig Vergangenheit

Zwei Monate nach der schwülstig verkündeten „Regierung der Nationalen Einheit“ ist das Feuerwerk in der Ukraine bereits wieder vorbei. Vier Monate lang hatte der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko gezaudert – dann hatte er seine „Nascha Ukraina“ doch mit den antiwestlichen Kräften Janukowitschs zusammen eine Regierung bilden lassen. Die West- und die Ostukraine würden jetzt endlich zusammenfinden, hatte der einstige Held der orangenen Revolution gesäuselt. Seither ist der Osten der Ukraine politisch noch weiter in Richtung Russland gedriftet, und die Bewohner des Westens mussten erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass Juschtschenko gegenüber seinem einstigen Erzrivalen unendliche Geduld zeigte. Ungestraft durfte Premier Janukowitsch in Brüssel verkünden, die Ukraine wolle nun doch nicht in die Nato. Das war eine Ohrfeige für den Präsidenten, der der Welt versprochen hatte, eine Regierung unter der Führung Janukowitschs sei nicht nur stabil, sondern werde die außenpolitischen Koordinaten nicht verändern.

Schwer abzuschätzen, ob Juschtschenko tatsächlich geglaubt hatte, der Wahlfälscher von 2004 würde Wort halten. Vielleicht wollte er auch einfach seinen treuesten Anhängern Macht und Pfründe sichern. Gegenwärtig ist nicht einmal sicher, dass seine „Nascha Ukraina“ nun tatsächlich in die Opposition geht. Denn unumstößlich ist in der Ukraine nichts – außer der Tatsache, dass für Politiker nicht Programme, sondern vor allem der eigene Geldbeutel zählt.

Doch egal ob mit oder ohne Juschtschenkos Segen: Die Ukraine wird sich politisch weiter in Richtung Moskau bewegen. Die in der orangenen Revolution erkämpfte Westausrichtung ist zu Ende, auch wenn man der EU und vielleicht sogar dem Präsidenten zuliebe rhetorisch an einem prowestlichen Kurs festhalten mag. Und selbst wenn sich der Konflikt nach dem Rückzug der Nascha Ukraina aus der Regierung wieder zuspitzen sollte: Eine Neuauflage der Revolution wird die von ihren Helden enttäuschte Bevölkerung so bald nicht mehr unterstützen. PAUL FLÜCKIGER