katalanischer film etc.
: Herzlich umarmt

In Sachen Literatur streitet man sich nun schon – mit Blick auf die Buchmesse 2007 – seit gut anderthalb Jahren um den Wesenskern des Katalanischen. Beim Film zeigt man sich großzügiger und präsentierte dieser Tage in Barcelona ausländischen Journalisten ein kunterbuntes nationales Show-Case mit spanisch-, katalanisch- und zweisprachigen Filmen im diplomatischen Verhältnis von 4:3:4.

Sprache als Distinktionsmerkmal war also von vornherein ausgeschlossen; zurück blieb die Frage: Was ist es denn dann, das nationale katalanische Kino? Eine mit deutschem Star-Support gedrehte Anarchisten-Bio wie „Salvador“ (mit Daniel Brühl), die katalanische Vergangenheit als Kreuzung aus Sex-and-Rock-’n’-Roll-Comic und rührseligem Hinrichtungsmelodram aufbereitet? Oder doch eher ambitionierte Independent-Filme wie Albert Serras Cervantes-Adaption „Honor de Cavalleria“, in dem ein katalanisch sprechender Don Quijote mit seinem Knappen 110 windmühlenfreie Minuten durch den Wald um Girona irrt?

Katalanische Filmemacher berufen sich zur Klärung der Identität gern auf die industrielle Infrastruktur: Da Geld und Stars in Madrid sitzen, habe sich Barcelona zwangsläufig zum Geviert der Independent-Szene entwickelt. Nach dem Motto: Wenn wir schon arm sind, dann lasst uns wenigstens avantgardistisch sein! So ganz stimmt das natürlich nicht – auch in Katalonien gibt es Großproduzenten –, aber von diesem Nimbus zehrt man.

Am nachhaltigsten tun das die Eleven des Studiengangs „Documental de Creación“ (schöpferischer Dokumentarfilm) an der Pompeu-Fabra-Universität. Von einer „neuen barcelonesischen Schule“ ist die Rede, die Drehbüchern ebenso wie professionellen Schauspielern misstraut. Ihre Filme wandern derzeit von Festival zu Festival: Isaki Lacuestas „La leyenda del tiempo“ („Die Legende der Zeit“) etwa, eine Universalparabel über Verlust und Wiedererlangen der Stimme, erzählt anhand der halb authentischen, halb inszenierten Geschichte einer Flamencogesang lernenden Japanerin und eines Gitano-Jungen. Oder Marc Rechas etwas eitle Landschafts- und Seelenerkundung „Dies d’agost“ („Augusttage“), in der der Filmemacher von seinem gescheiterten Versuch erzählt, einen Dokumentarfilm fertigzustellen.

Aber macht eine Schule schon den katalanischen Film? Als der Jungregisseur Javier Rebollo kürzlich auf dem Festival in San Sebastián seinen Wettbewerbsbeitrag vorstellte („Ce que je sais de Lola“), reihte sich der Madrilene munter in die Riege der „neuen spanischen Filmemacher wie Isaki Lacuesta“ ein. Gemurrt hat ob der gesamtspanischen Vereinnahmung keiner. Im Gegenteil. Eine herzliche Umarmung macht noch dem schönsten Abgrenzungsversuch den Garaus.

JULIA MACHER