Aufbau Süd

Bund und Länder verhandeln über den Pakt zur Finanzierung der Unis. Die armen Länder werden wohl weitgehend leer ausgehen, die reichen Südstaaten bekommen mehr Geld für Forschung

Im Süden die Efeuliga für feine Forschungsprojekte. Im Rest des Landes Massenunis für das Wissenschaftlerproletariat

VON ROBERT CÄSAR
UND MAX HÄGLER

Stell dir vor, die jungen Leute wollen massenhaft studieren – und die Universitäten verrammeln die Türen. Weil sie kein Geld für Dozenten und Professoren haben. Weil die Länder auch kein Geld haben. Und weil der Föderalismus eine ganz famose Sache ist. So oder so ähnlich scheint der Fall bei den Verhandlungen zum sogenannten Hochschulpakt zu liegen. Ursprünglich als kräftiger Zuschuss für die erwarteten 2,5 bis 2,7 Millionen Studierenden ab den Jahren 2010 gedacht, wird die Finanzspritze gerade zwischen Bund und Ländern kleinverhandelt. Gestern war wieder eine Verhandlungsrunde.

Eine Milliarde Euro schwer sind die Mittel, die allein der Bund für die kommenden vier Jahre in seine Finanzplanung eingestellt hat. Würden die Länder, ähnlich wie bei der Exzellenzinitiative, die am Freitag bekannt gegeben wird, noch einmal kräftig drauflegen, wäre mit 1,5 bis 2 Milliarden Euro zu rechnen. Kein Luxus, denn es kommen eine halbe Million Studierende mehr auf die Hochschulen zu. Manche gehen sogar von 700.000 Studierwilligen mehr aus – also genau das, was alle sich wünschen in einer Wissensgesellschaft, die mehr Akademiker braucht als je zuvor. 20 Prozent eines Geburtsjahrgangs wie derzeit sind nicht genug.

Doch wer glaubt, Bund und Länder würden freudig in die Kasse greifen, um ihre im europäischen und Weltvergleich bescheidene Studierendenquote (38 Prozent Studienanfänger in Deutschland, 68 Prozent im OECD-Durchschnitt) aufzubessern, der sieht sich getäuscht. Mittlerweile hat jeder in der 17-köpfigen Föderalismusgesellschaft (inklusive Bund) eigene Ideen entwickelt, wie man mit dem Geld umgehen soll.

Die Wessis samt ihrer meist überlaufenen Universitäten kämpfen gegen den Osten, wo viele Institute mit der Abwanderung ihrer studentischen Zielgruppe zu kämpfen haben. Manche reichen Länder mit ihren Spitzenforschern wollen noch mehr Geld, um ihr Renommee weiter zu steigern, und die wirklich armen schütteln nur verzweifelt den Kopf.

Nach Informationen der taz werden die armen Länder weitgehend leer ausgehen. Von der einen Milliarde Bundeseuros, die in den Hochschulpakt gehen sollen, sind 700 Millionen für die Forschung vorgesehen. Nur 300 Millionen sollen in die Lehre fließen, ohne dass es schon genaue Vorstellungen gäbe, wie das Geld für die Ausbildung der Studierenden wirksam eingesetzt werden könnte.

Damit käme der Hochschulpakt einer Art Aufbau Süd gleich. Während die armen Ost- und Nordländer kaum das Geld haben, um die kargen 300 Millionen Euro mit eigenen Mittel kozufinanzieren, steht der Süden doppelt gut da. Die meisten Zuschüsse aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft fließen, wie ein aktuelles Ranking gezeigt hat, in die Südstaaten Bayern und Baden-Württemberg. Das bedeutet, dass die 700 Millionen des Bundes für die Stärkung der Forschung vor allem dem Süden zugute kämen. Dort aber gibt es das finanzielle Polster, um das Bundesgeld mit eigenen Mitteln aufzustocken. Das heißt: Die starken Unis aus Bayern und Baden-Württemberg könnten als klare Sieger der neuen Hochschulfinanzierung hervorgehen.

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) rechnet in Spitzenzeiten, wenn die geburtenstarken Jahrgänge an die Unis drängen, mit notwendigen Mehrausgaben von 3,4 Milliarden Euro – pro Jahr. Allein im nächsten Jahr brauchen die Hochschulen voraussichtlich etwa eine halbe Milliarde Euro zusätzlich. Schon die für 2007 vorgesehene erste Tranche an Bundesmitteln für den Pakt in Höhe von 160 Millionen Euro könnte also nur die dramatischsten Spitzen abfedern.

Über die Verwendung des Geldes ist man sich freilich nicht einig. Besonders problematisch: Die Union geht von einer föderalistischen Vorstellung aus, die inzwischen überholt ist. Der Staatssekretär im Bundesbildungsministerium Andreas Storm (CDU) sagt, „der Bund kann sich am Hochschulpakt nur beteiligen, wenn die Länder mitmachen“. Das ist falsch. Der Bund könnte, um den Studentenansturm auf die Hochschulen abzufedern, sogar Lehrpersonal finanzieren. Die Föderalismusreform hatte zwar zunächst vorgesehen, dem Bund dies zu verbieten – doch angesichts der kräftigen Studiennachfrage hatte man davon ausdrücklich wieder Abstand genommen.

Dennoch: Auch Storms Chefin, Bildungsministerin Annette Schavan (CDU), mag von ihren alten Träumen nicht ablassen. Sie will nach wie vor Gelder des Hochschulpakts in die publicityträchtige Spitzenforschung schieben. Schavan sieht sich als Forschungsministerin. Das schafft in diesem Fall eine problematische Situation. In wenigen Tagen werden die Gewinner der Exzellenzinitiative bekannt gegeben. In den Südstaaten sitzen sieben von zehn Anwärtern. Manch einer sagt, keine Universität müsse sich auf den Elitezuschuss Chancen ausrechnen – außer den Universitäten im Süden der Republik und der RWTH Aachen.

Das Aufsplitten der Bundesmittel für den Pakt in 700 Millionen Forschungsgeld und nur 300 Millionen Studentenzuschuss bringt nicht wenige Wissenschaftsminister auf die Palme. Andreas Pinkwart (FDP), Nordrhein-Westfalens Innovationsminister, etwa sagt, die zusätzlichen Mittel für Forschungsprojekte seien zwar sinnvoll. „Aber 300 Millionen Euro für die Förderung der Lehre reichen bei weitem nicht. Da muss der Bund nochmal kräftig drauflegen.“ Auch Jürgen Zöllner (SPD) hält von der Aufteilung, wie sie jetzt vorgesehen ist, nicht viel. Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister weiß, dass die Süduniversitäten besonders stark in der Forschung sind – und besonders nachlässig in der breiten Förderung von Studierenden. Die künftige Arbeitsteilung an den Hochschulen könnte, überspitzt gesagt, in etwa so aussehen: im Süden die Efeuliga für die feinen Forschungsprojekte mit angeschlossenen Hightech-Parks; im Rest des Landes heruntergekommene Massenuniversitäten zum Durchschleusen des dringend benötigten Wissenschaftlerproletariats.

Auch Margret Wintermantel, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, ist ganz unzufrieden mit den bisherigen Planungen. Sie nannte die 300 Millionen Euro (für die nächsten vier Jahre) „in jeder Hinsicht unzureichend“. Die Hochschulen benötigen schon allein für das kommende Jahr 600 Millionen Euro zusätzlich, um die Qualität der Lehre zu erhalten. „Kleckern reicht nicht“, sagte Wintermantel der taz.

Die Landesministerien und der Bund wiegeln unterdessen offiziell ab. „Wir können diese Zahlen nicht bestätigen“, heißt es. Aber mal schauen, wie lange das „abgestimmte Vorgehen“ noch anhält, das man aus Hessen, Niedersachsen und Bayern auf Nachfragen zur Ausgestaltung des Hochschulpakts zu hören bekommt. In Mainz beginnt man bereits ein wenig gegen die anderen Länder zu schießen. „Wir können den Hochschulpakt nutzen, um einen Systemwechsel hinzubekommen“, meint der dortige Sprecher Michael Au. Sein Ministerium will endlich einen sogenannten Vorteilsausgleich durchsetzen, der Studienkosten nach dem Verursacherprinzip abrechnet. „In den letzten 15 Jahren haben wir unsere Kapazitäten um 20 Prozent ausgebaut“, meint Au, „damit versorgen wir auch viele Studenten aus anderen Bundesländern.“ Gerade in den viel gelobten Ländern Bayern und Baden-Württemberg sehe die Lage ganz anders aus. Rheinland-Pfalz wünscht sich vom Hochschulpakt: „Der Bund könnte die ausländischen Studierenden finanzieren.“

Ob die anderen Länder dabei allerdings mitspielen ist unsicher, wie der SPD-Bildungspolitiker Jörg Tauss gegenüber der taz bemerkt: „Baden-Württemberg ziert sich gegen einen solchen Vorteilsausgleich.“ Dabei sei es in der Tat unbestreitbar, dass Rheinland-Pfalz und die Stadtstaaten mehr tun als andere Länder. Generell seien Bund und auch die Länder untereinander derzeit „noch weit auseinander“.