„Einfach laufen lassen“

Die CDU lehnt öffentliche Stellungnahmen zum Volksbegehren für ein neues Wahlrecht ab – damit nicht noch mehr Leute auf die Idee kommen, zu unterschreiben. „Idiotisch“, urteilen Parteifreunde

von Armin Simon

„Wir haben das besprochen“, sagt Hartmut Perschau: „Das machen wir nicht.“ Der CDU-Fraktionschef wird kein Streitgespräch über Sinn und Unsinn eines neuen Wahlrechts in Bremen führen. Aus der CDU-Fraktion sonst auch niemand. Und CDU-Landesvorsitzender Bernd Neumann steht für Interviews zum Thema nicht zur Verfügung – keine Zeit. Man wolle dem Volksbegehren, das bis gestern schon fast 41.000 BremerInnen unterschrieben hatten, nicht noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen, begründet Perschau die Linie. „Das ist so ein Unsinn“, so Perschau. Man habe daher beschlossen, das „einfach laufen zu lassen“.

Die CDU wolle das Thema offenbar „aussitzen und totschweigen“, urteilte Paul Tiefenbach vom Verein „Mehr Demokratie“, Mitinitiator des Volksbegehrens. „Die hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt.“ Dies sei „ein Beispiel für die Abgehobenheit der etablierten Parteien“.

Selbst altgediente CDUler schütteln den Kopf. „Als gewählter Repräsentant der Politik muss man die Stimmungslage und das Engagement der vielen beachten, die unterschrieben haben“, sagt etwa Bernt Schulte, einst Bremer Innensenator und langjähriger CDU-Kreisvorsitzender in Bremen. 41.000 Unterschriften konnte „Mehr Demokratie“ am Montagabend vorweisen. Das könne man nicht ignorieren. Schulte: „Ich hätte mich, wenn ich noch im Amt wäre, garantiert dazu geäußert.“

„Die Taktik ist natürlich: man hofft, dass das Quorum verfehlt wird“, sagt Erich Röper, Jura-Professor an der Bremer Uni und CDU-Mitglied in Schwachhausen: „Dann kommt es erst gar nicht zum Volksentscheid.“ Rein staatsrechtlich sei gegen ein solches Verhalten einer Partei zwar nichts einzuwenden. Aber: „Politisch ist es idiotisch und in höchstem Maße dumm.“ Immerhin hätten bereits Tausende mit ihrer Unterschrift signalisiert, dass ihnen das Thema auf den Nägeln brenne. „Eine Partei muss die Bevölkerungsbasis in ihre Entscheidungen miteinbeziehen“, so Röper.

„Auf Tauchstation“ ist Tiefenbach zufolge indes nicht nur die CDU, sondern auch deren Koalitionspartner SPD gegangen. Gerüchten zufolge sollen in einigen Ortsverbänden sogar Rundschreiben kursieren, in denen Parteimitglieder und Beiräte davor gewarnt werden, das Volksbegehren zu unterschreiben. Und die prominenten öffentlichen Unterstützer der Initiative von Mehr Demokratie habe sich der Parteivorstand sogar persönlich zur Brust genommen – wenn auch meist ohne Erfolg.

Gut 7.000 Unterschriften muss Mehr Demokratie noch zusammenbekommen, um einen Volksentscheid zu erzwingen, 40.000 leere Listen hat die Initiative verteilt. Tiefenbach hofft auf zahlreichen Rücklauf: „Die Sache steht auf des Messers Schneide.“

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