Neuer Linksruck, diesmal auf Ecuadorianisch?

Morgen wählt Ecuador einen neuen Präsidenten. In Führung liegt ein linker Anti-Establishment-Kandidat

PORTO ALEGRE taz ■ Sein Markenzeichen ist der Gürtel. Auf den Wahlkampf-Autokorsos in ganz Ecuador schwenkte er ihn über dem Kopf, seine Werbespots gegen die korrupte „Parteienherrschaft“ wurden mit schnalzenden Hieben untermalt: Rafael Correa, die jüngste Hoffnung der lateinamerikanischen Linken, kann sich bei der Präsidentenwahl am Sonntag begründete Hoffnungen auf den Sieg machen. Mit 26 Prozent der Stimmen liegt er derzeit auf Platz eins in den Umfragen.

„Correa“ bedeutet auf Spanisch so viel wie „Gürtel“ oder „Riemen“. Und wenn der 43-jährige Sunnyboy der „Politmafia“ Schläge androht, rennt er beim Wahlvolk offene Türen ein. Die letzten drei gewählten Staatschefs im Andenland mussten vorzeitig den Hut nehmen. Das Ansehen des Parlaments ist auf dem Nullpunkt. Folgerichtig hat Correa auf die Aufstellung einer eigenen Liste für die Parlamentswahl ganz verzichtet und verspricht einen Neuanfang: Ähnlich wie Boliviens Präsident Evo Morales vor einigen Monaten oder Venezuelas Hugo Chávez 1999 möchte er über eine verfassunggebende Versammlung einen Systemwechsel einleiten.

Populär wurde Correa vor einem guten Jahr, als er sich als Finanzminister mit der Weltbank und dem IWF anlegte und die Öldollars nicht mehr in den Schuldendienst, sondern in Sozialausgaben stecken wollte. Damit war sein Gastspiel im Kabinett von Übergangspräsident Alfredo Palacio bereits nach 106 Tagen wieder beendet.

Erdöl ist die wichtigste Einnahmequelle des Landes. Im August 2005 legte eine Protestbewegung die Förderung im Amazonasbecken lahm. Vor einem halben Jahr wurde die Abgabenlast für private Erdölfirmen von 18 auf 50 Prozent erhöht. Dann sprach der Präsident gegenüber dem vertragsbrüchigen US-Multi Occidental Petroleum (Oxy) ein Machtwort. Die Staatsfirma Petroecuador hat die Oxy-Anlagen in Amazonien übernommen. Seither liegen auch die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA auf Eis – ganz im Sinne Correas.

Der Chávez-Freund gibt sich ebenso globalisierungskritisch wie die indigene Volksbewegung, die in der Wahlfrage noch gespalten ist. Die Auslandsschulden, die immer noch 10 Milliarden Dollar ausmachen, sollen neu verhandelt werden. Wie Chávez plädiert der telegene Ökonom mit dem US-Doktortitel für lateinamerikanische Integration und einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Die US-Militärbasis in der Küstenstadt Manta will er schließen lassen.

Umfragen zufolge hat er in den letzten Wochen besonders bei der Mittelschicht zugelegt. Aber auch viele Arme wollen für ihn stimmen – zu ihnen gehört die Hälfte der 13,5 Millionen EcuadorianerInnen. Correas aussichtsreichste Rivalen sind der Sozialdemokrat León Roldós und der rechtspopulistische Bananenmilliardär Álvaro Noboa, der zurzeit in den Umfragen mit 23 Prozent auf Platz zwei liegt.

Erringt ein Kandidat über 40 Prozent der Stimmen und einen 10-Punkte-Vorsprung vor dem Zweitplatzierten, ist er Präsident. Wenn nicht, entscheidet eine Stichwahl am 26. November.GERHARD DILGER