Zu expressiv für diese Welt: Klaus Kinski

In einem Lokal im Berliner Stadtteil Kreuzberg hängt Arthur Rimbauds Gedicht „Das trunkene Schiff“ auf Tuch geschrieben an der Wand. Die Sprache als Schöpfungsakt. Die Verse zu groß für diese Welt. Es ist oft etwas seltsam, davor zu sitzen und seinen Latte macchiato zu trinken. Manchmal muss man aber auch einfach an Klaus Kinski denken. Er hat dieses Rimbaud-Gedicht rezitiert. Und das Neue Testament. Und Villon. Brüder im Geiste. Als sei die Welt es ihm schuldig, seinem Genie zu huldigen. Und als hinge das Heil der Welt von dieser Huldigung ab. In den deutschen Filmen war Kinski lange Zeit als schaurig-lustiger Expressiver bei Edgar Wallace integriert: ein grimassierender Fremder in der Welt der Pfeifenraucher. Später kam ein anderer Kunstverrückter, Werner Herzog, ließ sich von Kinski demütigen und beutete dafür dessen Pathos bis zum letzten aus. Für „Nosferatu“ erhielt Kinski 1979 seinen einzigen deutschen Filmpreis: das Filmband in Gold. Mein Lieblingsfilm ist „Nachtblende“, wo er neben Romy Schneider einen Schauspieler spielt, der Richard III. spielt: wieder zu expressiv für diese Welt. It’s better to burn out than to fade away? Kinski hat nicht nur gebrannt. Er ist explodiert, jedes Mal aufs Neue. Heute wäre er 80 Jahre alt geworden. DIRK KNIPPHALS