Diakonie darf nicht mehr lange leihen

Die diakonische Friedehorst-Stiftung in Bremen darf billigere Arbeitskräfte nur noch kurzfristig beschäftigen. Oberster Kirchengerichtshof sieht durch Ungleichbehandlung der Beschäftigten elementare kirchliche Grundsätze verletzt

Die Bremer Reha und Pflegeeinrichtung Stiftung Friedehorst darf in Zukunft Leiharbeiter nur noch kurzfristig beschäftigen. Das entschied bereits am 9. Oktober der oberste Kirchengerichtshof der evangelischen Kirchen in arbeitsrechtlichen Fragen in Hannover. Bereits im Mai hatte die Schiedsstelle der evangelischen Kirchen in Niedersachsen im Streit mit der diakonischen Bruderhilfe in Lilienthal bei Bremen ganz ähnlich wie jetzt der Kirchengerichtshof entschieden.

„Das ist ein Grundsatzurteil“, sagt Birgit Adamek, Leiterin des des Teilbereichs Arbeitsrecht beim Diakonischen Werk, über das Urteil des Kirchengerichtshofs. Bislang habe es in der kirchlichen Rechtsprechung für die Mitarbeitervertretung nicht die Möglichkeit gegeben, „gegen die Beschäftigung von Leiharbeitern Widerspruch einlegen zu können. Dies ist jetzt anders.“ Das Urteil hat damit bundesweite Bedeutung.

Hintergrund des Verfahrens: Vor eineinhalb Jahren gründete die Stiftung Friedehorst eigens für sich die Leiharbeitsfirma „parat“. Die stellte seit ihrer Gründung neues Personal ein, das anschließend an Friedehorst ausgeliehen wurde. Die Stiftung, die in ihrem Bremer Stammhaus rund 1.000 Menschen beschäftigt, begründete ihren Schritt damit, Kosten sparen zu müssen. Durch die Leiharbeiter sollten langfristig reguläre Arbeitsverhältnisse ersetzt werden.

Die momentan rund 100 Mitarbeiter von „parat“ bekommen weniger Gehalt als die direkt bei Friedehorst angestellten: Nach Angaben der Mitarbeitervertretung beträgt die Differenz ungefähr 17 Prozent, die Stiftungsleitung spricht von 13,5 Prozent. Darüber hinaus erhalten die „parat“-Mitarbeiter weniger Urlaubsanspruch und eine andere betriebliche Zusatzversorgung.

Um gegen diese Benachteiligung vorzugehen, hat die Mitarbeitervertretung es abgelehnt, dass zwei Leiharbeiter für zwei Jahre bei Friedehorst beschäftigt werden sollten. Ihr Anwalt Bernhard Baumann-Czichon spricht von Tarifflucht. Daraufhin zog die Geschäftsleitung erfolgreich vor das Bremer Kirchengericht. Die Mitarbeitervertretung, befand dieses im Mai, hätte keinen Widerspruch einlegen dürfen. Die Mitarbeitervertretung legte Beschwerde beim Kirchengerichtshof in Hannover ein und bekam dort nun Recht. Die Kammer sah durch die Ungleichbehandlung der Beschäftigten elementare kirchliche Grundsätze verletzt.

Wolle Friedehorst weiter eine diakonische Einrichtung bleiben, müsse die Stiftung dieses Urteil als bindend anerkennen und nicht mehr anfechten, Malte Schnitzler, stellvertretender Vorsitzender der Mitarbeitervertretung.

Leiharbeit über „parat“ werde es „in Zukunft nur noch bei kurzfristigen Arbeitseinsätzen geben“, so Schnitzler. Was genau mit „kurzfristig“ gemeint sei, „muss mit der Geschäftsleitung verhandelt werden.“ Der Richter habe darunter zwei bis drei Monate verstanden. Allerdings liegt das Urteil erst in rund vier Wochen schriftlich vor.

Bis dahin will auch der Vorsteher der Friedehorst-Stiftung, Georg-Hinrich Hammer, noch warten. Er hält die Diskussion um das Urteil „für verfrüht“. Ohnehin gebe es nur elf LeiharbeiterInnen, die längerfristig für Friedehorst arbeiteten. Überhaupt hält Hammer Leiharbeit im sozialen Bereich für nichts ungewöhnliches mehr. Und verglichen mit anderen Einrichtungen bezahle „parat“ seine Mitarbeiter noch gut.

Am 31. Oktober werden sich Mitarbeitervertretung und Vorstand von Friedehorst zusammensetzen. Die Folgen des Urteils für die bestehenden Leiharbeitsverhältnisse werden Thema sein. Malte Schnitzler befürchtet, dass der Vorstand nun nach anderen Wegen suchen dürfte, Geld einzusparen. NILS NABER