Perfekte Verwirrung des Mieters

Die Bundesregierung einigt sich auf Energiepass für Gebäude. Die Regelung will es allen recht machen und verunsichert sogar die Verbraucherschutzorganisationen

BERLIN taz ■ Nach jahrelangem Streit hat sich die Bundesregierung auf einen Energiepass für Gebäude geeinigt. Das Dokument soll Mietern anzeigen, ob eine Wohnung gut oder schlecht isoliert ist – ob der Bewohner also viel oder wenig teure Energie vergeuden muss. „Der Gebäudeenergieausweis wird sich daher als Qualitätsmerkmal auf dem Immobilienmarkt etablieren“, sagt Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur.

In dem Kompromiss haben sich verschieden Lobbyisten gleichzeitig durchgesetzt. Für Gebäude mit bis zu vier Wohnungen wird der so genannte bedarfsorientierte Pass zur Pflicht, den die Dämmstoffindustrie wollte. Er ermittelt den Verbrauch von Öl- oder Gas pauschal über die Gegebenheiten der Wohnung – etwa über die Dicke von Wänden und Fenstern. Durchgesetzt hat sich aber auch die Immobilienlobby: Eigentümer von Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen können zwischen verbrauchs- und bedarfsorientiertem Ausweis frei wählen. Der so genannte verbrauchsorientierte Pass weist aus, welchen Verbrauch der Vormieter in der Wohnung hatte. Umweltschützer hatten kritisiert, dass dieser Pass gar nichts besagt – da er stark von den Heizgewohnheiten der Mieter abhängt.

Wie wenig der getroffene Kompromiss insgesamt bringt, zeigten die verschiedenen Passvorschläge der Verbraucherorganisationen. Der Mieterbund empfiehlt Mietern, die bedarfsorientierte Variante zu verlangen. „Nur er macht Schwachstellen eines Gebäudes sichtbar, die zu Kostenfallen bei der Heizkostenabrechnung werden können“, sagt Mieterbundchef Franz-Georg Rips. Der Bund der Energieverbraucher empfiehlt „dringend, den verbrauchsorientierten Pass“ zu verlangen. „Wir haben die Verfahren des bedarfsorientierten Passes analysiert. Je nach Rechenweg kamen dabei bis zu 40 Prozent Differenz heraus“, sagt der Chef Aribert Peters. Daher sei der verbrauchsorientierte Pass aussagefähiger: Wenn sich eine Familie für eine Wohnung interessiert, sagen die realen Kosten des letzten Jahres mehr aus als irgendwelche Rechenmodelle.

Ursprünglich sollte der Pass schon von der letzten Regierung eingeführt werden – nicht freiwillig, denn er geht auf eine EU-Verordnung von Anfang 2003 zurück. Die jetzt getroffene Regelung ist ein Kompromiss zwischen Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD), die fast ein Jahr lang um das Thema gerungen hatten. Eigentlich wollten die Protagonisten den Pass per Änderung der Energie-Einsparverordnung schon 2006 einführen. Nun haben sie allen Beteiligten eine großzügige Übergangsfrist eingeräumt: Pflicht wird der Pass erst 2008. NICK REIMER