DIE ACHSE DES RAUSCHENS – RENÉ HAMANN
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Kaputte Waschmaschine

Topfschlagen und Indianer spielen. Spielzeugeisenbahnen dampfen vorbei. Irgendetwas fiept, etwas anderes flirrt, das große Rauschen im Hintergrund könnte eine kranke Waschmaschine sein oder ein rückwärts aufgenommener Zug. „Hollindagain“ ist ein Soundtrack hintereinander montierter Träume, der fast ausschließlich aus Geräuschkulissen besteht. Mit Tupfern aus Lärm. Nur selten sind Wörter hörbar, verständlich werden sie nicht. Animal Collective aus New York waren im vergangenen Jahr die tollste Band der Welt. Für ihre letzte Platte „Feels“ haben sie die elektrische Gitarre und das stumpfe Trommeln wiederentdeckt und ihr psychedelisches Universum erweitert. Dann haben sie die Berliner Volksbühne durchspült und ein verstörendes und großartiges Konzert gegeben.

Auf dieser Veröffentlichung hört man ihnen beim spontanen Experimentieren zu. „Hollindagain“ ist ein Zusammenschnitt mehrerer Liveaufnahmen aus ihrer Frühzeit, eingespielt bei Privatkonzerten und Radio Sessions (!) Anfang 2001 – als das vierköpfige Rauschkollektiv noch zu dritt war und den Ehrgeiz hatte, auf jedem Konzert neue Stücke zu spielen. Hier hört man sieben davon: psychoaktive Stücke von den Rändern des Wahnsinns. Konkrete Musik, gewöhnlich Krach genannt. Wer „Unfinished Music“ von Lennon/Ono, Stockhausen und Ciccone Youth mag, wird auch das hier mögen. Allen, denen die Ordnung im eigenen Gefühlshaushalt wichtig ist, sei von dieser CD abgeraten.

Animal Collective: „Hollindagain“ (Paw Tracks/Cargo)

Zur langsamen Entschleunigung

The Early Years kommen aus London und sind dem englischen Erbe der psychedelischen Musik verpflichtet. Man hört also: eine dünne Stimme über einem scheppernden Schlagzeug und spiralige Gitarrenschleifen in unglaublicher Langsamkeit. Repetition ist das erste Prinzip des Noise Pop. Um diese schlichte Wahrheit zu erkennen, sollte man stapelweise Psychedelikplatten studieren, von Gründervätern wie Pink Floyd (den frühen) bis zu den wegweisenden Spacemen 3, aus denen sich schließlich der Bombast von Spiritualized emporhob. Bis Stereolab, Pram und andere kamen, um den Noise wieder ins Akademische zu holen.

The Early Years üben sich nun ebenfalls an der gekonnten, endlosen Verschraubung. Was sie ausmacht – und der Verweis auf Spacemen 3 ist der entscheidende –, ist eine gewisse Einfachheit, die auch eine gewisse Eingängigkeit meint. „All Ones & Zeros“ oder das schön ruhige „Things“ sind potenzielle kleine Hits, die in der modernen Britpopdisko zwischen Kasabian, den Kings of Leon und Oasis einen natürlichen Platz einnehmen könnten. Musik zum langsamen Entschleunigen, zum Abdriften ins faserig Gefühlige. Musik für Zugfahrten bei Nebel oder dichtem Schneefall. Der Rausch der Transzendenz dank endloser Wiederholung – mit „Muzik der frühen Jahre“ versuchen die Early Years auf ihrem selbstbetitelten Debüt auch den Kniefall Richtung Krautrock. Eine rundum gelungene Sache.

Groove in Schüben

Folgt man dem Klischee, muss es heißen: Die Deutschen und der Rausch, das ist eine schwierige Sache. Was Deutsche gut können, ist Kälte und Automation. Andererseits haben die Deutschen den Krautrock erfunden, und daraus ist auch die elektronische Musik entstanden. Siehe Kraftwerk. Urlaub in Polen versuchen sich seit einigen Jahren an der Verschmelzung elektronischer Musik mit Noiserock, auf ihrer dritten Platte „Health & Walfare“ sind sie zackiger denn je. Sperrige Grooves, laute Schübe. Nicht kalt, nur eben leicht unterkühlt und mit Mut zum klassischen Rocksongaufbau.

Manchmal ist es, als ob sich das Duo aus Köln absichtlich weit in die Rockgefilden der 80er hinauslehnen; in „D.T.W.I.L.“ wird sogar Melissa Etheridges „Like The Way I Do“ zitiert, eines der grauenhaftesten Stücke der Musikgeschichte. „A Case of Getting From C to D“ ist das Herzstück der Platte, durch „Crash“ rast eine herrische Kirchenorgel, „La Gallina“ ist ein witzig kleines Groove-Ding. Das ist alles nicht schlecht, klingt aber manchmal unfreiwillig alt und hat nur peripher mit dem Soulpunk von Von Spar zu tun, bei denen die eine Hälfte des Urlaubs, Philipp Janzen, ansonsten beschäftigt ist. Auch kann der englische Gesang der anderen Hälfte, Georg Brenner, nicht immer überzeugen. Das Rauschen findet leider nur am Rande statt, in Zwischenschüben. Der Dampf ist da, vielleicht setzen die Jungs einfach zu viele Windmaschinen ein.

Urlaub In Polen: „Health & Welfare“ (Tomlab/Indigo)

„The Early Years“ (Beggars Banquet/Indigo)