Bund macht Senat den Haushalt

Die rot-rote Finanzplanung fällt weit weniger dramatisch aus als erwartet. Die Ursache ist nicht ein genialer Sparplan, sondern ein Geldregen vom Bund. Und klar ist: Aus der Zinsfalle hilft er Berlin nicht

von ULRICH SCHULTE

Das Ganze mutet an wie der Zaubertrick mit Zylinder und Kaninchen. Erst löst das Finanzurteil des Verfassungsgerichts ein großes Heulen und Zähneklappern bei Rot-Rot aus, dann streiten sich SPD- und Linkspartei-Haushälter bis aufs Blut über den verfassungsgemäßen Etat, jetzt ist plötzlich alles in Ordnung: Schon im nächsten Jahr werde der Haushalt der Verfassung entsprechen, teilte Klaus Wowereit (SPD) gut gelaunt am späten Mittwochabend mit. „Wir werden die Zinsspirale nicht beseitigen. Aber wir zeigen eine finanzpolitische Alternative auf.“

Tatsächlich sind die Zahlen, die der Regierende Bürgermeister nach der letzten Mammutverhandlungsrunde mit der Linkspartei referierte, weit weniger dramatisch als zuvor befürchtet: Die Schulden Berlins, im Moment rund 61 Milliarden Euro, steigen bis 2011 moderat auf 65,9 Milliarden. Und die Entwicklung des Primärhaushalts, aus dem die Zinszahlungen herausgerechnet sind, hängt wahrscheinlich in der Kantine der Finanzverwaltung – als Appetitmacher. Erwirtschaftet die Stadt in diesem Jahr einen Mini-Überschuss von 21 Millionen Euro, sollen es 2007 satte 1,1 Milliarden sein – Tendenz steigend.

Mit ein paar dürren Sätzen erwähnte der Regierende auch, wem Berlin die wundersame Geldvermehrung zu verdanken hat – nur zum kleineren Teil dem rot-roten Finanzplan, den Experten wie die Wirtschaftswissenschaftlerin Beate Jochimsen als „wenig durchdacht“ kritisieren (siehe Interview).

Der Zauber ist ganz einfach: Die Konjunkturentwicklung im Bund rettet Wowereit und die Linkspartei. Die Finanzverwaltung hofft im nächsten Jahr auf 13,1 Milliarden Euro vom Bund – vor allem durch Länderfinanzausgleich und Mehrwertsteuererhöhung. Geplant waren nur 11,8 Milliarden. Die endgültige Steuerschätzung für Berlin kommt erst heute, doch der Sprecher von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sagt auf Basis von Prognosen: „Durch den Rückenwind bei den Einnahmen können wir den Anstieg der Schulden stark begrenzen.“

Aber klar ist auch: Aus der Zins- und Schuldenfalle wird das Lüftchen die bankrotte Hauptstadt nicht wehen. Denn die Zinszahlungen steigen unerbittlich an, der Sprecher sagt in aller Vorsicht 3 Milliarden Euro für das Jahr 2011 voraus – im Moment sind es 2,5 Milliarden pro Jahr.

Die Opposition fordert deshalb härtere Schnitte. Die FDP will Landeseigentum verkaufen, die Grünen fordern außerdem eine Abgabe für Touristen. Wowereit hingegen will weiter eine „strenge Ausgabendisziplin“ wahren. Und er hat sich auch von einem Wunschtraum verabschiedet: Während die SPDler in den Sondierungen noch laut darüber nachdachten, den Beschäftigen des öffentlichen Dienstes mehr Geld zu gönnen, klingt das jetzt anders.

Wowereit möchte den Solidarpakt, der 2009 ausläuft, erneuern, um 150 Millionen Euro zu sparen. Vorsorglich droht der Chef in Richtung Gewerkschaften: „Natürlich will ich betriebsbedingte Kündigungen verhindern, aber ich kann sie nicht ausschließen.“