Blitz in die Nacht

Maja Classens Dokumentation „Feiern!“ zeigt ein bisschen Exzess und viele Gespräche zur Clubkultur

Die Eröffnungssequenz von „Feiern“ ist wunderschön. Es ist dunkel, ein Beat rumpelt in der Ferne und wird langsam lauter. Und auf einmal zuckt ein Licht, ein Stroboskopblitz. Durch ein vom Kondenswasser der schwitzenden Tänzer erblindetes Fenster kann man schemenhaft in die Panoramabar hineinschauen. Es ist kalt, wo man steht. Drinnen ist es heiß. Eine Stimme liest ein paar Sätze aus „Rave“ von Rainald Goetz, die von Prädiskursivität der Feierei handeln. Davon, dass die Redewendung „Ohne Worte“ den nächtlichen Wahnsinn am treffendsten beschreibt. Dann kommt ein Türsteher und die Kamera muss ausgeschaltet werden. Was an den Anfang eines Films über das Ausgehen zu setzen so mutig wie riskant ist – der gelobte Club wird gezeigt, betreten kann man ihn nicht.

„Feiern“, das Debüt der Berliner Filmemacherin Maja Classen, ist eine 80-minütige Meditation über das Ausgehen. Einige Male ist er schon mit großem Erfolg in Off-Kinos und Clubs gezeigt worden, nun erscheint er auf DVD. Gut ein Dutzend Rave-Tunichtgute erzählen Schwänke aus ihrem Leben, bekannte DJs wie Ricardo Villalobos, Luciano, Ewan Pearson, André Galluzzi oder My My, aber auch ganz normale Tagediebe. Es geht um Liebesgeschichten und Drogenprobleme, Darkrooms und Endlosgespräche, Glücksmomente, noch mehr Glücksmomente und ein bisschen Elend. Es ist ein Gesprächsfilm, bei dem die Interviewpassagen durch musikunterlegte Clubsequenzen unterbrochen werden. Das weltberühmte Technoexzess-Doppel Berghain/Panoramabar bildet zwar den Sehnsuchtshorizont des Films, zu sehen bekommt man die morgendliche Tanzfläche des Watergate.

Tatsächlich liegt hier ein Problem des Films – denn der Umstand, dass das Berghain keine Foto- oder Filmaufnahmen in seinen Hallen zulässt, ist ja nicht nur dem Bedürfnis vieler Gäste geschuldet, bei ihrem Treiben anonym bleiben zu wollen. Nachts ist es ja auch dunkel, damit man sich selbst nicht so genau sieht, bei all dem Wahnsinn. Die entscheidende Frage, der es dann unter der Woche auszuweichen gilt, lautet: „Warum tue ich mir das eigentlich alles an?“ Und diese lässt sich nur direkt aus der Feierei heraus beantworten. Dieser Weg ist „Feiern“ aber versperrt, das macht der Anfang deutlich.

So kann sich der Film nicht wirklich entscheiden. Ein bisschen wird der Exzess gezeigt und ein bisschen im Dunkel gehalten. Viel wird erzählt, Schönes und Hartes, Bewegendes und Interessantes. Aber der erkenntnistheoretische Tusch, mit dem Maja Classen einen in ihren Film schubst, der verhallt leider.

Als Ausschnitt des großen Berliner Techno-Gesprächs ist „Feiern“ aber ganz wunderbar. Man redet, man lacht, man raucht, man erzählt sich Anekdoten und man wundert sich. Dass die mächtige Glücksmaschine immer noch funktioniert: das Berliner Nachtleben, dieses menschengemachte Gottesgeschenk.

TOBIAS RAPP

„Feiern“. Deutschland 2006. Regie: Maja Classen. 80 Min. (HFF Potsdam/Intergroove) www.feiern-film.de