Wowereit kocht Linkspartei ein

In letzter Minute will die SPD der Linkspartei nur zwei Senatorenposten zugestehen. Die Sozialisten fordern drei Ämter für sich. Heute will Rot-Rot die Zuschnitte der einzelnen Ressorts bekanntgeben

VON MATTHIAS LOHRE

Das hat nicht einmal das desaströse Karlsruher Haushaltsurteil vermocht: Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Linkspartei kriseln. Die Sozialisten wollen erneut drei Senatsressorts leiten, doch die SPD will ihnen nur zwei Verwaltungen zugestehen. Am vergangenen Donnerstag waren die Unterhändler im Streit darüber auseinandergegangen. Bei den gestrigen Gesprächen setzte sich der Ärger fort. Die Zeit wird knapp. Heute will Rot-Rot die neuen Zuschnitte der Senatsressorts verkünden.

Die SPD-Unterhändler mit Klaus Wowereit an der Spitze pokern hoch. Der Regierende Bürgermeister argumentiert, die Linkspartei habe im neuen Koalitionsvertrag viele Anliegen durchdrücken können. Nun sei es an der Zeit, die verschobenen Machtverhältnisse im Bündnis abzubilden. Immerhin hat die SPD bei der Abgeordnetenhauswahl zugelegt, die Linkspartei hingegen mehr als 9 Prozentpunkte verloren.

In den vergangenen Wochen hatten Linkspartei-Spitzen wie Wirtschaftssenator Harald Wolf betont: Wir wollen drei von acht Senatsressorts. Geben sich die Sozialisten notfalls mit zwei Posten zufrieden? Die gestrige Antwort aus den Reihen der Linkspartei-Verhandler klang unversöhnlich: „Dann hätten wir uns schon geeinigt.“

Nach vier Wochen größtenteils geräuschloser Arbeit am Koalitionsvertrag geraten die Gespräche damit in letzter Minute ins Stocken. Heute wollen SPD und Linkspartei die neuen Zuschnitte der Senatsressorts vorstellen. Das Recht, die dazugehörigen Senatoren zu ernennen, hat seit einer Verfassungsänderung in diesem Jahr nicht mehr das Abgeordnetenhaus, sondern der Regierende Bürgermeister. Wowereit will die Namen seiner Senatorenriege erst in einer Woche nennen. Die Zeit wird er vermutlich brauchen.

Seit Wochen kursieren Gerüchte, wie die bislang acht Senatsressorts künftig zugeschnitten sein werden – und wer sie führen könnte. Mehrere Varianten erlaubten es beiden Verhandlungsseiten, das Gesicht zu wahren.

Eine Möglichkeit besteht darin, das von Heidi Knake-Werner (Linkspartei) geführte Großressort Gesundheit und Soziales zu teilen. Knake-Werner würde eine der Senatsverwaltungen weiterführen, der andere Teil ginge in diesem Szenario ebenfalls an die Sozialisten. Die hätten damit zwar weniger Macht als bislang, hätten aber ihre Forderung nach drei Ressorts durchgesetzt. Denn Wirtschaftssenator Harald Wolf gilt ohnehin als gesetzt.

Diese Rechnung geht nur auf, wenn ein anderes Ressort verschwindet. Denn die Landesverfassung begrenzt die Anzahl der Senatsverwaltungen auf acht. Als Auflösungskandidat gilt das bislang von Thomas Flierl (Linkspartei) geleitete Ressort Kultur und Wissenschaft.

Flierl ist bei vielen SPDlern verhasst, auch Wowereit will nicht mehr mit ihm am Kabinettstisch sitzen. Die Zuständigkeit für die Kulturverwaltung könnte sich die Senatskanzlei unter ihrem Chef André Schmitz (SPD) einverleiben. Dieses Szenario hätte für die Linkspartei einen weiteren Vorteil. Wirtschaftssenator Wolf könnte die Verantwortung für die Wissenschaft an sich reißen. Die Sozialisten würden einen „Super-Senator“ stellen.

Die Sache hat einen Haken. Die Linkspartei darf ihre mehrheitlich Ostberliner Basis nicht vergraulen. Wolf und Knake-Werner stammen aus dem Westen. Geht der Ostberliner Flierl, müsste ein ostdeutscher Ersatz her. Als Kompromisskandidatin ist die bisherige Kulturstaatssekretärin Barbara Kisseler im Rennen. Doch die 57-jährige Flierl-Mitarbeiterin stammt aus dem Westen und ist parteilos. Laut Medienberichten ist auch die Lichtenberger Kulturstadträtin Katrin Lompscher im Gespräch. Die 44-Jährige stammt aus Ostberlin.

Zwei SPD-Senatoren gelten als Wackelkandidaten: Bildungssenator Klaus Böger und Justizsenatorin Karin Schubert. Als Bögers Nachfolgerin ist die bisherige Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) im Gespräch. Schuberts Job könnte Gerüchten zufolge Renate Möcke übernehmen, die Vorsitzende Richterin am Berliner Landgericht.