Vorübergehend gelöscht

Ein Internetuser erstreitet vorm Bundesgerichtshof das Recht auf Löschung seiner Verbindungsdaten. Ein Erfolg für Datenschützer ist das Urteil jedoch nur, bis Deutschland eine EU-Richtlinie umsetzt

DatenschützerInnen gelten bei der Generation „Big Brother“ als respektabel, aber anachronistisch

VON PETER NOWAK

Der Münsteraner Internetuser Holger Voss hat Ausdauer bewiesen. Durch alle gerichtlichen Instanzen hat er gegen seinen Internetprovider geklagt – und gewonnen. Die Deutsche Telekom hatte die Verbindungsdaten von Voss an die Staatsanwaltschaft weitergegeben. Daraufhin flatterte Voss ein Strafbefehl über 1.500 Euro ins Haus, weil er in einem anonymen Kommentar im Forum des Internetmagazins Telepolis die Bundeswehr beleidigt haben soll. Seit dem 6. November ist das Verbindungsdatenurteil rechtskräftig. Der Internetprovider T-Online ist verpflichtet, die IP-Adresse von Voss unmittelbar nach Beendigung der Verbindung zu löschen.

Eine gute Nachricht für DatenschützerInnen, könnte man denken. Tatsächlich hat der Jurist Patrick Beyer aus Frankfurt am Main den Entwurf eines Muster-Schriftsatzes ins Netz gestellt. Er fordert InternetnutzerInnen damit auf, von ihrem Provider zu verlangen, die Verbindungsdaten zu löschen – oder wie Voss zu klagen. Es ist noch offen, wie viele den Rechtsweg beschreiten werden. Doch schon jetzt kann man davon ausgehen, dass keine Massenbewegung von UserInnen unter dem Motto „Meine Verbindungsdaten gehören mir“ entstehen wird.

Die Gründe sind vielfältig. Der individuelle Rechtsweg ist zeitraubend und schreckt erst einmal viele ab. Doch wesentlicher ist, dass heute nur noch wenige Menschen Zeit und Energie in den Datenschutz investieren. Das manifestierte sich in der geringen Teilnahme an Demonstrationen in Berlin und Bielefeld in den vergangenen Monaten. Nur 250 Menschen ließen sich durch die Slogans „Freiheit statt Sicherheitswahn“ und „Mein Leben gehört nicht in Eure Datenbank“ auf die Straße locken. Gerade junge Internet-UserInnen gingen kaum hin.

Das ist nicht verwunderlich. Schließlich haben die DatenschützerInnen bei ihnen den Ruf, zwar respektabel, aber anachronistisch zu sein – was Namen wie „Initiative STOP1984“ nahe legen, die klingen, als wäre das Orwell-Jahr nicht schon mehr als 20 Jahre vorbei. Eine Generation, die mit „Big Brother“ aufgewachsen ist, kann man damit sicher nicht erschrecken und aufrütteln. Die klickt sich lieber im Internet durch die unzähligen privaten Videos und Webcam-Aufnahmen, auf denen Menschen ihre Intimsphäre ganz freiwillig der Öffentlichkeit preisgeben. Doch nicht nur diese unpolitischen SelbstdarstellerInnen gucken häufig in Kameras, sondern auch Teilnehmer von politischen Demonstrationen. Dort übertrifft die Zahl der Kameras und Videogeräte die der Transparente in der Regel bei weitem. Dass in linken Internetmagazinen die Gesichter auf den Aufnahmen von Demonstrationen meist noch unkenntlich gemacht werden, ist die letzte Reminiszenz an eine Zeit, in der man mit markigen Parolen wie „Kameramann Arschloch“ sein Recht am eigenen Bild noch derb, aber prägnant ausdrückte.

Da verwundert es nicht, dass die Initiativen gegen die ständige Präsenz von Kameras im Alltag klein bleiben. Erstaunlich ist vielmehr, dass sich immer noch Menschen dagegen engagieren, obwohl sie insgeheim wissen, dass sie die Auseinandersetzung längst verloren haben. Dieser Eindruck beschleicht einen auch bei den wackeren StreiterInnen gegen die Vorratsspeicherung. Selbst das von Voss vorm Bundesgerichtshof erstrittene Urteil dürfte nur von kurzer Dauer sein.

Denn eine EU-Richtlinie will die Speicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten von Internet, Festnetz und Handy obligatorisch machen. Sie sollen ausdrücklich Strafverfolgungsbehörden für ihre Ermittlungen zur Verfügung gestellt werden können. Im Bundesjustizministerium wird zurzeit an einem Gesetzentwurf gearbeitet, mit dem diese Richtlinie in Deutschland umgesetzt werden soll. Ab 2009 könnte dann also hierzulande für Internetprovider zur Pflicht werden, was Holger Voss seinem Anbieter jetzt höchstrichterlich verbieten ließ: die Datenspeicherung. 1984 liegt dann 25 Jahre zurück und wird mit Sicherheit Anlass für einige Veranstaltungen der letzten DatenschützerInnen sein.