Rechte wählen demokratisch

Rechtsextremismus ist keine gesellschaftliche Randerscheinung, sondern in der Mitte der Gesellschaft verankert. Das bestätigen Leipziger Forscher in einer neuen Studie

BERLIN taz ■ Die knallharten Rechtsextremisten sind nicht ostdeutsche Jungmänner, sondern westdeutsche Opas. Eine neue, repräsentative Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung stellt landläufige Stereotype über Rechtsextremismus in Frage.

Laut den Untersuchungen der Stiftung ist zwar die Ausländerfeindlichkeit im Osten sehr viel stärker verbreitet als im Westen, allerdings verniedlichen mehr Wessis den Nationalsozialismus und sind die überzeugteren Antisemiten. „Insbesondere bei älteren Menschen in Westdeutschland findet sich ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild“, sagt Elmar Brähler von der Uni Leipzig, einer der beiden leitenden Forscher der Studie. „Zudem scheint im Westen das Wählerpotenzial für die NPD eigentlich höher zu sein als im Osten.“ Brähler und sein Kollege Oliver Decker bestätigten andere Studien, nach denen Rechtsextremismus keine gesellschaftliche Randerscheinung ist. Knapp 60 Prozent der Deutschen mit gefestigtem rechtsextremem Weltbild wählen Union, SPD oder Grüne. „Rechtsextremismus ist eigentlich der falsche Begriff“, sagt Brähler, „er verschleiert, dass derartige Einstellungen längst in unserer Mitte zu Hause sind.“

5.000 Menschen haben Meinungsforscher für Brähler und Decker zu ihren Einstellungen persönlich befragt, es ist die vierte Studie der beiden zum Thema.

30,6 Prozent der Ostdeutschen befürworten demnach Aussagen wie „Die Ausländer kommen her, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ oder dass die Republik in „gefährlichem Maß überfremdet“ sei. Im Westen sind es fünf Prozent weniger, nur Bayern kommt hier an die ostdeutsche Provinz heran. Dagegen glauben zehn Prozent der West-Befragten, dass Juden „etwas Besonderes und Eigentümliches“ an sich hätten und ihr Einfluss „zu groß“ sei. Im Osten denken etwa sechs Prozent in solchen antisemitischen Klischees.

Die Gründe für derartige Einstellungen liegen laut Studie nicht primär in wirtschaftlichen Abstiegsängsten. Wer meint, dass er politisch nichts bewirken kann, seine Eltern als autoritär und lieblos empfunden hat und ein geringes Selbstwertgefühl besitzt, ist für rechtes Gedankengut zugänglicher als andere.

DANIEL SCHULZ