„Das wäre eine Einladung, abzuschieben“

Das neue Bleiberecht darf nicht erst von April 2007 an gelten, fordert Bernd Mesovic, der rechtspolitische Referent von Pro Asyl.Grundsätzlich begrüßt er die deutschlandweite Regelung der Koalitionsfraktionen, vermisst aber Ausnahmen für Traumatisierte und Waisen

taz: Herr Mesovic, begrüßen Sie den Entschluss der Koalition, geduldeten Migranten ein zweijähriges Bleiberecht zu gewähren?

Bernd Mesovic: Wir finden es sehr gut, dass die Koalition eine bundesgesetzliche Regelung getroffen hat. Dass die Altfallregelung fehlte, war ein Fehler des 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes. Es gibt viele Menschen, die nach der jetzigen Regelung ein Bleiberecht in Anspruch hätten nehmen können, doch viele von ihnen wurden inzwischen abgeschoben.

Warum kam der Durchbruch gerade jetzt?

Man wartete eigentlich darauf, dass die Innenministerkonferenz eine Entscheidung trifft. Doch besonders die CDU-Minister wollten eine besonders enge Regelung, von der nur wenige profitiert hätten. Dieses auf Konsens ausgerichtete Gremium war durch die unterschiedlichen Meinungen in einer Selbstblockade gefangen. Doch die Situation der Geduldeten zwang die Politiker zum Schwur; also musste Berlin die Sache an sich ziehen.

Auch wenn Sie ihn grundsätzlich begrüßen – welche negativen Aspekte hat der Koalitionsbeschluss?

Die Regelung ist noch immer sehr strikt, es gibt beispielsweise keine Ausnahmen für traumatisierte Menschen oder Kinder ohne Eltern. Ein generelles Problem ist außerdem, dass der Beschluss der Bundesregierung eine rückwirkende Altfallregelung darstellt: Von einem Stichtag, den der Gesetzgeber festlegen wird, wird rückwärts gezählt. Wer die geforderten sechs oder acht Jahre in Deutschland lebt, darf bleiben. Das schützt aber niemanden, der vier oder fünf Jahre hier ist, vor der extrem zermürbenden Situation künftiger Kettenduldungen. Positiv ist allerdings, dass die Iraker nicht aus der Regelung ausgeschlossen worden sind, wie es einmal im Gespräch war.

Verbessert hat sich, dass die Menschen künftig mit der Aufenthaltserlaubnis gleich nach Arbeit suchen dürfen. Oder?

Im Gegensatz zu dem, was bisher im Gespräch war, ist das ein Fortschritt. Positiv ist, dass die Vorrangprüfung abgeschafft wurde. Aber es muss sich ändern, dass geprüft wird, ob bisher Geduldete zu ortsüblichen Bedingungen beschäftigt werden. Sonst haben die betroffenen Migranten keine Chance auf dem Arbeitsmarkt.

Als Stichtag ist der 1. April 2007 im Gespräch. Dann soll die Regelung in Kraft treten.Was passiert bis dahin?

Bis dahin müsste es eine Regelung im Vorgriff geben, die sicherstellt, dass Betroffene nicht abgeschoben werden. Wenn nicht, dann kommt das Gesetz für viele zu spät. Einige Länder nutzen jetzt schon die Gelegenheit und schieben reihenweise ab. Wirkt sich die neue Regelung erst im April aus, dann ist das geradezu eine Einladung, geduldete Migranten noch auf die Schnelle loszuwerden.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ