Der Wolf bleibt bissig

Was FDP-Landesinnenminister Wolf als „sachgerechte Lösung“ sieht, halten Flüchtlingsvertreter für „Mist“: Dem Großteil der 60.000 Geduldeten in Nordrhein-Westfalen droht weiter die Abschiebung

VON NATALIE WIESMANN

Der Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) zum Bleiberecht wird in Nordrhein-Westfalen sehr unterschiedlich aufgenommen: Landesinnenminister Ingo Wolf (FDP) lobt den Kompromiss, der am Freitag in Nürnberg getroffen wurde. Die Landes-Grünen und Flüchtlingsvertreter dagegen halten ihn für „äußerst dürftig“.

Nach langem Ringen haben die Innenminister der Länder eine Altfallregelung beschlossen, der einem Teil der etwa 200.000 geduldeten Flüchtlinge in Deutschland einen sicheren Aufenthalt ermöglichen soll. Sie sprechen von 20.000 Personen bundesweit, die aufgrund einer bestehenden Arbeit von dem Beschluss profitieren könnten. Flüchtlingen ohne Job will die IMK bis zum 30. September 2007 eine Übergangsfrist zur Arbeitssuche einräumen. Weitere 40.000 Flüchtlinge sollen so eine Chance auf einen sicheren Aufenthaltsrecht in Deutschland erhalten.

Diese Zahlen seien aber „viel zu hoch gegriffen“, so Volker-Maria Hügel von der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA) in Münster. Er glaubt, dass höchstens 6.000 geduldete Flüchtlinge in NRW von der Regelung werden profitieren können. „Der Beschluss ist Mist“, so sein Urteil. Denn die IMK hätte viele Hürden eingebaut und sich nur auf „Kann-Regelungen“ geeinigt: „Der Beschluss ist so unklar formuliert worden, dass Bayerns CSU-Innenminister Günther Beckstein ihn restriktiv und Berlins SPD-Innensenator Ehrhart Körting ihn großzügig auslegen kann.“ Von Nordrhein-Westfalens FDP-Innenminister erwartet der Flüchtlingsexperte keine großzügige Interpretation: „Wolf ist alles andere als liberal.“

Auch die Grünen sind enttäuscht: „Der Beschluss fällt weit hinter das zurück, worauf sich Schwarz-Rot auf Bundesebene geeinigt hatte“, sagt Andrea Rupprath, Sprecherin der Grünen in NRW. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hatten im Vorfeld der IMK zur großen Überraschung aller Experten einen großzügigen Kompromiss ausgehandelt: Demnach sollten Familien nach sechs Jahren und Alleinstehende nach acht Jahren ein Bleiberecht erhalten, wenn sie bereits arbeiten oder innerhalb von zwei Jahren einen Job finden. Die Hälfte der Geduldeten hätten so einer Abschiebung entgehen können.

Dennoch zufrieden zeigt sich Landesinnenminister Wolf. Die Innenminister hätten einen „sachgerechten“ Beschluss gefasst, sagt er: „Wir haben eine humanitäre Lösung auch für die gefunden, die arbeiten wollen, aber bisher nicht arbeiten durften“. Dabei verschweigt der Minister, dass er auf der IMK im Dezember 2005 eine strengere Regelung vorgeschlagen hatte: Danach sollten nur diejenigen, die bereits zwei Jahre einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, in Deutschland bleiben dürfen. Bei der Mehrheit der über 60.000 Geduldeten in allein in Nordrhein-Westfalen will Wolf keine Gnade walten lassen: „Wer kein Bleiberecht besitzt, wird konsequent abgeschoben.“