mail aus manila
: Ein Rathaus verschanzt sich hinter Palisaden

Geisterangestellte und ein unbeugsamer Bürgermeister sind die Hauptfiguren einer Polit-Operette im Stadtteil Makati

Im Rathaus von Makati gibt es Gespenster. Sie spuken nicht. Sie erscheinen niemand nach Mitternacht. Sie stehen auch nicht, wie Sadako aus den japanischen Ringu-Filmen, plötzlich in der Ecke und erschrecken alle zu Tode. Sie beziehen bloß ein Gehalt, das angeblich auf inoffiziellen Konten verbucht wird und dann wieder in die Tasche des Bürgermeisters zurückfließt. „Ghost employees“, Geisterangestellte, nennt sie die Regierung. Virtuelle Beamte, deren Gehalt korrupten Zwecken dient.

Makati, wo diese Geister spuken, ist die Downtown von Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Der Stadtteil gilt als das Finanzzentrum des Landes, die Ayala Avenue als die Wallstreet Manilas. Hier ist die Börse. Hier sind die Botschaften, die Konsulate, die Wirtschaftsverbände, neuerdings auch das Goethe-Institut. Hier gibt es keine Wellblechhütten, in denen die „C Class“, die Ärmsten der Armen, auf Kohlenöfen ihre Suppe kocht, wie im Rest von Manila. Hier schreitet man aus gut klimatisierten Hochhäusern auf Avenues, auf denen sich Mercedesse und BMWs stauen.

Makati ist der Vorzeigestadtteil von Manila, der Bürgermeister Jejomar Binay gilt als the man who gets the job done. Mit üppigen Steuereinnahmen von gut verdienenden Unternehmen hat er hier den Teil von Manila etabliert, wo alles funktioniert. Hier fällt der Strom nie aus. Hier sind keine Löcher im Bürgersteig. Hier regeln Polizisten in operettenhaften Uniformen den Verkehr, und der Verkehr gehorcht! So soll es sein. Aber plötzlich funktioniert hier nichts mehr.

Seit ein paar Tagen hat Binay das Rathaus nicht mehr verlassen. Neuerdings trägt er eine Camouflage-Jacke und gibt kämpferische Fernsehinterviews. Nein, er wird seinen Posten nie freiwillig aufgeben. Er ist Opfer einer Regierungsintrige, die er durchstehen wird, was immer auch passiert. Es gibt keine Geisterangestellten in seinem Rathaus, sagt er. Und seine Unterstützer stehen fest zu ihm.

Die Unterstützer sind fast 2.000 Menschen, die um das Rathaus von Makati herum kampieren. Ein menschlicher Schutzschild. Für den Fall, dass der nicht reicht, hat Binay um das Rathaus herum Palisaden installieren lassen. Die Angestellten des Rathauses schlafen in ihren Büros. Ihr Essen wird von Lieferanten über die Barrikaden gereicht. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.

Die Anordnung, dass Binay abdanken solle, hat ein Regierungsangestellter unter dem Schutz von 150 Staatspolizisten überbracht. Alle sollen zurücktreten, der Bürgermeister samt seinem Stadtrat. Beweise folgen in der Gerichtsverhandlung. Das ist selbst nach philippinischen Rechtsvorstellungen ein ungewöhnliches Verfahren. Binay will Beweise, bevor er zurücktritt. Dank des wirtschaftlichen Erfolgs seines Stadtteils war er immer unabhängig genug, um seine Kritik an der Regierung freimütig zu äußern. Und um sich selbst als Nachfolger für Präsidentin Arroyo zu empfehlen.

Jetzt soll er kaltgestellt werden, sagt er. So verfährt die Regierung mit mächtigen Widersachern, die sich nicht beugen wollen, sagt er. Und weil auf den Philippinen das Misstrauen gegen die Präsidentin, die wahrscheinlich durch Wahlmanipulationen an die Macht gekommen ist, weit verbreitet ist, glauben ihm viele. „Ich werde dieses Rathaus nur als Leiche verlassen“, sagt Binay.

Nach zwei Tagen setzt der Oberste Gerichtshof das Amtsenthebungsverfahren gegen Binay aus. Im Fernsehen kann man Stadtangestellte auf der Straße um die Barrikaden tanzen sehen. Doch die typisch philippinische Polit-Operette dürfte damit noch nicht ausgestanden sein. Präsidentin Arroyo hat bereits Berufung eingelegt. Einen Monat hat sie noch, um Binay aus dem Amt zu jagen. Dann beginnt der Wahlkampf, und dann sind solche juristischen Winkelzüge verboten. TILMAN BAUMGÄRTEL