Gysi wirft der Koalition Ungerechtigkeit vor

Mit guten Reden profiliert sich die Opposition gegen die Regierung. Falsche Zahlen zerstören diesen Eindruck nicht

Gregor Gysi hat eine These,die hält er durch, mitunterauf Biegen und Brechen

BERLIN taz ■ Die besseren Redner im Deutschen Bundestag sitzen in dieser Legislaturperiode in den Reihen der Opposition. Unter ihnen: FDP-Fraktionschef Guido Westerwelle. Und die Chefs der Linksfraktion, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi. Als dieser gestern Vormittag ans Mikrofon im Plenum trat, gingen sich Dutzende Abgeordnete von Union und SPD erst mal die Füße vertreten. „Beifall von der Union ist mir auch diesmal nicht vergönnt“, spottete Gysi – obwohl er Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vorher höflich zum einjährigen Amtsjubiläum gratuliert hatte.

Gysi klickt sich in seinen Reden nicht mühsam, wie manch anderer, durch einen Stichwortkatalog bürokratischer Details. Er hat eine These, die hält er durch, mitunter auf Biegen und Brechen. Gestern, wie so oft, lautete sie: Was die große Koalition macht, ist sozial ungerecht.

„Absolut nicht hinnehmbar“ sei es, ereifert sich Gysi, dass die Regierung die Gewinnsteuer für Konzerne auf 15 Prozent senke. Vor Rot-Grün habe sie „bei 45 Prozent“ gelegen. 30 Prozent Senkung der Gewinnsteuer innerhalb von acht Jahren! Das versteht jeder. Um sein Argument zu verstärken, liefert der Chef der Linksfraktion noch ein paar Zahlen hinzu. Belastung der Unternehmen in den USA, Hort des Kapitalismus: 35 Prozent. Im liberalen Großbritannien: 30 Prozent.

Schöne These, einfache Botschaft. Im polemischen Überschwang vergisst Gysi nur eine Kleinigkeit. In Deutschland gibt es zwei Gewinnsteuern für Unternehmen: die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer. Die Letztere hatte er in seiner Tirade unterschlagen. Beide zusammen summieren sich zu einer Belastung von künftig knapp 30 Prozent. Der These von der Ungerechtigkeit würden korrekte Zahlen nicht unbedingt etwas anhaben, aber der Knalleffekt wäre nur halb so groß.

Einige derartige Beispiele später ermahnt Bundestagspräsident Lammert den Redner, zum Schluss zu kommen. „Meine Zeit ist begrenzt“, stellt Gysi bedauernd fest – worauf bei der Union lauter Beifall ausbricht. „Jetzt habe ich es doch geschafft“, freut sich der Linke, „das gefällt mir, ich sage gleich noch so einen Satz.“

HANNES KOCH