„Wir haben 30 Jahre verloren“

Dennis Meadows warnte vor über drei Jahrzehnten vor dem ökologischen Kollaps. Seitdem habe sich nicht viel getan, sagt der Wissenschaftler

In einem spärlichen Hinterzimmer des Bundestags wurde gestern nichts Geringeres diskutiert als die Zukunft der Menschheit. Rund 200 Besucher lauschten gebannt dem Vortragenden Dennis Meadows, der düstere Szenarien für das 21. Jahrhundert zeichnete. Mit Grafiken auf drei riesigen Leinwänden bekräftigte der Wissenschaftler die beängstigende These seines neuen Buches: Die Menschen haben die für das Ökosystem tragbare Grenze bereits überschritten.

Meadows schockierte die Welt 1972 mit dem Buch „Grenzen des Wachstums“. Grundlage des Bestsellers war eine vom Club of Rome in Auftrag gegebene Studie über die Folgen des ökologischen Fußabdrucks der rasant wachsenden Bevölkerung. Nach 18 Monaten Forschung am Bostoner MIT veröffentlichte der damals 29-jährige Meadows sein Ergebnis: Der rasch anwachsende Verbrauch an Rohstoffen ist nicht mehr tragbar.

Die ersten Anzeichen des gestörten Ökosystems würden in rund 40 Jahren zu spüren sein, verkündete Meadows damals. Eindringlich rief er Politiker und Experten zum sofortigen Handeln auf. Nachhaltiges Wirtschaften sei notwendig, technologischer Fortschritt müsse Umweltschutz leisten. Die schlimmsten Folgen seien noch abwendbar, wie Meadows berechnete. Seitdem hat sich nicht viel getan. „Wir haben 30 Jahre verloren“, sagte Meadows gestern.

Der studierte Ingenieur und Wirtschaftswissenschaftler wird nicht müde, seine Warnung zu wiederholen: „Wir müssen handeln, sofort.“ Sein neues Buch, „Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update“ nutzt verbesserte Modelle und neue Daten. Die Botschaft bleibt dieselbe: Alles, was wir der Natur entnehmen, muss nachwachsen können. Gravierender Unterschied zu damals: Die ökologische Tragfähigkeit der Erde wurde etwa 1978 überschritten. Jetzt heißt die Devise: Schaden begrenzen.

Meadows ist ein angenehmer Redner. Komplizierte Sachverhalte hellt er durch anschauliche Beispiele auf. Das Ausmaß exponentiellen Wachstums etwa erklärt er, indem er schätzen lässt, wie dick ein 33-mal gefaltetes Handtuch sei. „Einen Meter? Zehn?“, fragte er belustigt. „Technisch ist das nicht möglich, aber es wäre rechnerisch 5.400 km dick, von Frankfurt nach Boston“, erklärt er dem Publikum. Während seiner 30-jährigen „Mission“, wie er es nennt, ökologisches Wirtschaften zu predigen, habe er einiges über die Politik gelernt. Dass nur bis zur nächsten Wahl gedacht werde und es langfristige Projekte deshalb schwer haben. Überhaupt halte er intellektuelle Diskurse für wenig fruchtbar. Früher habe er gedacht, er könne Menschen durch Informationen zu einem anderen Lebensstil bewegen. Heute sehe er das anders: „Die Politik muss Vorschriften machen, die Menschen sind zu bequem“.

MAIKE BRZOSKA